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Das digitale Klassenzimmer

Tablets in der Grundschule? Muss das sein, fragen viele skeptisch. Ja, das muss sein, sagen Pädagogen. Denn Kinder müssen Technikkompetenzen entwickeln, doch das stellt neue Anforderungen an Unterricht und Lehrer.

Rechnen am Tablet im Mathematikunterricht, virtuelle Museumsbesuche im Geschichtsunterricht und Trickfilme erstellen im Fremdsprachenunterricht. Das ist keine Utopie, sondern die Realität an vielen Schulen. Digitale Medien halten Einzug in die Klassenzimmer und das Thema kommt allmählich auch auf die politische Agenda, wie der Vorschlag des BMBF für den DigitalPakt#D zeigt. Danach sollen allein fünf Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren in die Digitalisierung der deutschen Schulen fließen. Eine Summe, die zeigt, dass das Thema an Gewicht gewinnt.

Doch sollte digitale Bildung auch in der Grundschule schon fest verankert sein? Häufig wird der Digitalisierung der Schule mit Skepsis und auch Ängsten begegnet. Für Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, ist jedoch klar: „Wer der Auffassung ist, dass Digitalisierung kein Thema für Bildung ist, verkennt die Realität.“ Damit sollte man schon früh anfangen, findet auch Stefan Aufenanger, Professor für Erziehungs­wissenschaften und Medienpädagogik an der Universität Mainz. „Immer jüngere Kinder nutzen digitale Medien. Deswegen ist die Grundschule oder die Kindertages­einrichtung ein pädagogischer Ort, an dem wir Kindern den sinnvollen Umgang mit digitalen Medien zeigen können.“

„Darunter versteht man den kompetenten Umgang mit Medien allgemein. Das heißt, dass man weiß, wie sie funktionieren, für was sie eingesetzt werden, dass man sie sozial verantwortlich benutzt und selbstständig damit umgehen kann“, sagt Aufenanger. Doch sind Kinder im Grundschulalter überhaupt schon in der Lage solche Kompetenzen zu erlernen? Und falls ja, wie vermittelt man sie? „Man sollte zunächst mit einfacheren Medien, wie Büchern und Bildern, in den Medienkontext einzusteigen. In dem Maße jedoch, in dem Kinder bereits in digitalen Welten unterwegs sind, sollte man auch medien­erzieherisch tätig werden“, sagt Rudolf Kammerl, Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Pädagogik und Leiter des Instituts für Lern-Innovation an der Universität Erlangen-Nürnberg. Medien­erzieherisch insofern, als dass man versuchen sollte, die Inhalte und den Umfang der Mediennutzung zu beeinflussen. Eine kritische Reflexion im Umgang mit Medien könne in dem Alter aber noch nicht stattfinden. Zierer sieht das anders: „Besonders der kritisch-reflektierte Umgang, das Wissen um die Grenzen der Digitalisierung und das Vermögen, Technik nicht nur einzuschalten, sondern auch auszuschalten, sollten bereits in der Grundschule im Fokus stehen.” In der kreativen Gestaltung digitaler Medien und der Zusammenarbeit sehen sowohl Kammerl, Aufenanger wie auch Zierer ein großes Potenzial für den Grundschul­unterricht: „Das Ziel ist, Kindern zu vermitteln, dass sie nicht nur Rezipienten der digitalen Medien sind, sondern auch Gestalter sein können.“ 

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Dieser Artikel erschien zuerst auf "Die Debatte". Das ist ein gemeinsames Projekt von Wissenschaft im Dialog (WiD), dem Science Media Center Germany (SMC) und der TU Braunschweig, gefördert vom Stifterverband. Das Projekt möchte zeigen, dass die Wissenschaft zu aktuellen gesellschaft­lichen Themen etwas beizutragen hat. Bisher ging es neben anderem um digitalisierte Kindheit, Frieden, Genchirurgie. Auf dem Blog finden sich vertiefende Hintergrund­artikel und Interviews zu gesellschafts­relevanten Themen. In regelmäßigen moderierten Live-Debatten beantworten zudem  Experten die Fragen des Publikums. Überzeugungen und Wissen werden hier einander gegenübergestellt. 

Das Vermögen, Technik nicht nur einzuschalten, sondern auch auszuschalten, sollte bereits in der Grundschule im Fokus stehen.”

Klaus Zierer, Universität Augsburg

Dabei sehen die Experten digitale Medien allerdings keineswegs als Allheilmittel und Universallösung für guten Unterricht: „Es geht weniger darum, ob nun mit Tablets gearbeitet wird oder nicht, sondern ob der Unterricht so gestaltet wird, dass die Kinder dabei Kompetenzen entwickeln können“, sagt Rudolf Kammerl. Auch Klaus Zierer plädiert für „Pädagogik vor Technik“, denn ob Kinder mit digitalen Medien besser lernen, hänge davon ab, wie diese Medien im Unterricht eingesetzt werden.

Weit fortgeschritten ist die Digitalisierung in deutschen Schulen jedoch noch nicht. „In Deutschland werden die digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler weniger gezielt gefördert und ein Einsatz digitaler Medien findet wesentlich weniger statt als in anderen europäischen Ländern“, sagt Kammerl. Das geht aus der internationalen Studie ICILS hervor, in der Deutschland – bezogen auf den Medieneinsatz im Unterricht im Vergleich zu den anderen 20 teilnehmenden Ländern, darunter überwiegend OECD Länder   – am schlechtesten abschnitt. „Die Ursachen dafür liegen im Wesentlichen in der curricularen Verankerung, der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte sowie in der unzureichenden technischen und medialen Ausstattung“, sagt Kammerl. 

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Das bestätigt auch der Länderindikator 2017 der Telekom Stiftung: nur knapp 56 Prozent der Lehrer bewerten die IT-Ausstattung an ihren Schulen als ausreichend, nur 40 Prozent geben an, dass in den Klassenräumen WLAN verfügbar ist. „Meistens ist es so, dass Schulen nie ganz ausgestattet werden, sondern es nur Klassensätze und sehr eingeschränkte Verfügbarkeiten der digitalen Medien gibt. Das zweite Problem ist das der Lehrerausbildung. Das heißt, dass das Lehrpersonal überhaupt nicht darauf vorbereitet ist, digitale Medien sinnvoll und umfassend einzusetzen,“ sagt Aufenanger. Die Kultusminister­konferenz hat 2016 ein Handlungskonzept für die Entwicklung der digitalen Bildung in Deutschland vorgelegt. Darin sehen Kammerl wie auch Aufenanger  eine gute Arbeitsgrundlage für den zukünftigen Schulent­wicklungsprozess: „Jetzt kommt es darauf an, dass die Umsetzung entsprechend gelingt. Da bedarf des Zusammenwirkens von sowohl den Lehrerkollegien als auch den Kommunen, den Einrichtungen der Lehreraus- und -fortbildungen und den Bildungsverlagen die Unterrichts­materialien entwickeln“, sagt Kammerl. Wichtig sei dabei, dass der Bildungsgedanke und die Kompetenz­förderung im Vordergrund stehen. Dieser Gedanke ist auch für Klaus Zierer entscheidend: „Wir sollten auf keinen Fall eine Digitalisierung nur der Digitalisierung wegen herbeiführen.”