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Der digitale Stahl-Mann: Gisbert Rühl

Gisbert Rühl baute den Stahlkonzern Klöckner als CEO grundlegend um. Im Durchfechter-Podcast erzählt er von seinem ungewöhnlichen Weg und was er selbst dabei gelernt hat.

Ganze Produktionsketten nach Asien oder Afrika zu verlagern, mag für viele Unternehmen wirtschaftliche Vorteile bringen. Doch gerade die vergangenen zwei, drei Jahre haben gezeigt: Wenn der Warenstrom nicht mehr richtig fließt - sei es durch politische Entwicklungen, Umweltkatastrophen, festgefahrene Tanker im Suez-Kanal oder eben der Schließung von Grenzen und des Flugverkehrs aufgrund einer globalen Pandemie -, verkehrt sich dieser wirtschaftliche Vorteil schnell ins Gegenteil. Engpässe in globalen Lieferketten sind die Folge, Produktionen kommen ins Stocken, wichtige Innovationsprozesse verlangsamen sich, Regale bleiben leer, Arbeitsplätze und der wirtschaftliche Erfolg sind gefährdet. Was also tun, um so etwas künftig zu vermeiden? Digitalisierung ist hier für viele Unternehmen das Zauberwort. Aber wie genau kann sie in etablierten kapital- sowie rohstoffintensiven Industriebranchen sinnvoll zum Einsatz kommen? Um schlechte Prozesse zu verbessern, reicht Digitalisierung alleine nicht aus. Man muss vielmehr alle Prozesse eines Unternehmens auf den Prüfstand stellen. Das weiß auch Gisbert Rühl. Als langjähriger CEO von Klöckner & Co SE (häufig abgekürzt mit KlöCo) hat er die digitale Transformation des Duisburger Stahlkonzerns, die bis dato in der deutschen Wirtschaftsgeschichte nahezu beispiellos ist, maßgeblich mit geprägt. 

Heute gilt Klöckner mit seinem Berliner Hub kloeckner.i und dem Start-up XOM als eine Art „Amazon des Stahlhandels“. Bis 2022 wird der Konzern voraussichtlich 60 Prozent aller Umsätze weltweit über Onlinetransaktionen generieren. Im Durchfechter-Podcast berichtet Rühl von seiner Reise: vom Mentalitätswandel eines Konzernchefs, der sich persönlich Risiken und Unsicherheiten aussetzte, um zum Disruptor der Stahlbranche zu werden. Nach einem frühen Besuch im Silicon Valley dachte er darüber nach, wie man das Geschäftsmodell der eigenen Branche durch die Digitalisierung grundlegend angreifen könnte. Kurz entschlossen übernahm er die Rolle des Angreifers gleich selbst. Statt top-down mit einer über Jahre vorausgeplanten, aber schwerfälligen Digitalisierungsstrategie zu antworten, agierte er, ähnlich wie in einem Start-up, schrittweise, tastend, aber sofort. Viel testend und viel wieder schnell verwerfend. 

Zur Person

Gisbert Rühl (Foto: privat)

Gisbert Rühl (*1959) ist deutscher Industriemanager. Von 2009 bis 2021 war er Vorstandsvorsitzender der Klöckner & Co. SE. Als Vorsitzender des Landeskuratoriums Nordrhein-Westfalen ist Rühl zugleich im Vorstand des Stifterverbandes vertreten. Rühl ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Er schätzt Sport (Golf, Joggen, Radfahren) und Musik (Wagner).

Konkreter Vergleichsmaßstab für die Qualität agiler, digitaler Innovationen war das Feedback bereits bestehender Kunden von Klöckner. Im ausgegründeten Berliner Zukunftslabor „kloeckner.i“ entstand tatsächlich Sinnvolles, letztendlich, weil Prototypen – zum Beispiel digitale Kauf- und Bestellprozesse – immer zuerst an Kunden getestet, dann entweder pragmatisch verbessert, optimiert oder schnell wieder verworfen wurden. So entstanden digitale Tools wie „Kloeckner Assistant“, die komplexe, üblicherweise Tage dauernde Bestellprozesse auf wenige Minuten reduzierten.

Gerade in hierarchischen Unternehmen ist es entscheidend, die eigenen Mitarbeiter zu ermächtigen.
Gisbert Rühl (Foto: privat)

Gisbert Rühl

Manager und Investor

Wie jede Erfolgsstory hat auch diese eine Kehrseite: Nicht jeder Mitarbeiter und nicht jede Mitarbeiterin machte beim digitalen Wandel in der vielleicht notwendigen Form mit. So stellte sich über die Jahre ein Drittel der Belegschaft nicht und ein Drittel nur zögernd den angebotenen digitalen Weiterbildungsmaßnahmen. Um Stellenstreichungen im vierstelligen Bereich kam der Konzern auch beim digitalen Umbau letztendlich nicht herum.

„Fail fast, fail cheap“, so lautet ein Sinnspruch aus dem bei Digitalisten angesagten „Design Thinking“. Rühl betont, dass solche durchaus innovativen Gedanken und Konzepte in etablierten Konzernen nur dann Fuß fassen, wenn es zwischen entscheidenden Stellen im Unternehmen zu ständigem direktem tatsächlich hierarchiefreiem Austausch kommt. Wie man genau das implementiert, persönlich als Chef aushält und warum Gisbert Rühl, mittlerweile auch als Angel-Investor, sich schon wieder innovativ verhält – zum Beispiel, indem er in Spacs investiert –, davon erzählt Rühl im Durchfechter-Podcast.   

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Illustration: Sven Sedivy

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