Illustration: Atelier Hauer+Dörfler
Illustration: Atelier Hauer+Dörfler

Ein Turbo für neue Ideen

Die Corona-Pandemie stellt das Lernen, Lehren und Forschen vor immense Herausforderungen. Mit seiner Jubiläumsinitiative „Wirkung hoch 100“ fragt der Stifterverband jetzt nach Zukunftsprojekten – und stößt einige ungeschriebene Gesetze aus seiner bisherigen Förderpraxis um. Ein Blick hinter die Kulissen eines millionenschweren Großexperiments.

Es ist der Herbst des Jahres 2020, alle werden sich im Berliner Westhafen um die Stehtische gruppieren, es gibt Getränke und ein kleines Buffet, während der Blick durch die Glasfronten aufs Wasser hinausgeht. Die 300 bis 400 Teilnehmer werden aus ganz Deutschland angereist sein, allesamt Experten aus Schulen und Hochschulen, aus Vereinen und Akademien. Sie werden hier über Ideen für Innovationen brüten. Es wird der erste Schritt sein auf einem Weg, wie bahnbrechende Konzepte für die Zukunft entwickelt werden – und zugleich der Auftakt für die Jubiläumsinitiative des Stifterverbandes, mit der er zu seinem 100-jährigen Bestehen die Weichen stellt für neue, besonders innovationsfreundliche Förderprinzipien.

Zukunftsweisende Projekte gesucht

„Es war uns gleich klar, dass wir uns auf ein großes Experiment einlassen“, sagt Mathias Winde. Er leitet das Aktionsfeld Wissenschaft beim Stifterverband und ist einer von denen, die bei der Entwicklung der neuen Initiative von Anfang an dabei waren. 2,5 Millionen Euro nimmt der Stifterverband in die Hand – viel Geld, mit dem in ganz Deutschland über Monate hinweg Projekte ausgetüftelt werden, die alle auf ihre Art zukunftsweisend sein sollen. Mathias Winde selbst ist ein alter Hase in der Projektförderung: Als promovierter Politologe ist er seit 2005 beim Stifterverband, er hat schon jede Menge Projekte und Ansätze begleitet. Aber selten war er so gespannt auf die Ergebnisse wie bei der jetzigen Initiative. Fest steht, dass es Projekte sein werden, die Probleme beim Bildungs-, Wissenschafts- und Innovationssystem lösen sollen – aber was genau es sein wird, lässt der Stifterverband bewusst offen. „Einfach deshalb, weil wir Freiräume geben und auch konventionelle Projekte ansprechen möchten“, sagt Mathias Winde. Und natürlich, weil eine Herausforderung wie die Corona-Krise ganz neue, ungeahnte Ansätze erfordert.

Illustration: Atelier Hauer+Dörfler
Illustration: Atelier Hauer+Dörfler

Ein Rückblick auf den Beginn der Planung für das neue Programm: ein kleiner Besprechungsraum im Hauptstadtbüro des Stifterverbandes ein paar Schritte vom Brandenburger Tor entfernt. Eine Handvoll Experten steckt die Köpfe zusammen, sie beraten über ungewöhnliche Ideen „Eigentlich ist es ja so, dass wir ein Projekt ausschreiben, es bewerben sich aus ganz Deutschland etliche Schulen und Hochschulen, eine Jury sucht die besten Projekte aus, und die fördern wir dann“, sagt Mathias Winde. Aber wie wäre es eigentlich, wenn man die Prinzipien einfach umdreht: wenn nicht ein paar Projekte herausgefiltert werden, sondern viele verschiedene Ansätze eine Entwicklungschance bekommen? 

Wenn 100 Ideen, die manchmal schon weit fortgeschritten sind, manchmal aber auch noch ganz am Anfang stehen, mit vereinten Kräften beschleunigt werden? Wenn Experten aus den unterschiedlichen Fachrichtungen zusammenkommen , um gemeinsam über ihnen zu brüten? Und wenn man erst dann entscheidet, welcher der vielen Ansätze es besonders verdient, weiterverfolgt zu werden? Das war ein Gedanke, der Mathias Winde gleich elektrisierte – und der jetzt zum Grundprinzip der neuen Stifterverbands-Initiative wird.

100 Projekte zum 100. Geburtstag

Kurze Zeit später kristallisieren sich die Grundrisse des Projektes heraus. Bewusst soll die Initiative nicht nur Ideen aus einem oder drei Bereichen auswählen, die sich der Stifterverband auf die Fahne geschrieben hat – Bildung, Wissenschaft und Innovation –, sondern alle Kategorien gemeinsam abdecken. Es geht um bahnbrechende Ansätze, die das größte Veränderungspotenzial aufweisen; ob es nun um eine neue didaktische Idee für die Hochschule des Jahres 2030 geht, um eine neuartige Förderung von abgehängten Schülern oder um Orte, an denen soziale oder technische Innovationen ausgeklügelt werden. Klingt abstrakt? Mathias Winde lächelt: Bewusst sei das so vage formuliert, weil man möglichst viele verschiedene Initiativen und Ideen aufnehmen möchte, ohne sie von vornherein unnötig einzuschränken.

Parallel zu den Planungen sucht der Stifterverband den Schulterschluss zu seinen Mitgliedern und Förderern. Das sind Großkonzerne und mittelständische Unternehmen, aber auch Stiftungen und Privatpersonen. Sie unterstützen die Projekte des Stifterverbandes finanziell und bringen immer wieder auch neue Ideen ein. Als der Stifterverband ihnen das neue Konzept vorstellt, ist das Echo vielversprechend. Und es kommen frische Impulse zurück ins Hauptstadtbüro des Stifterverbandes, wo die Details der Initiative feingeschliffen werden: Wie wäre es, fragen manche Stifter, wenn sie selbst bei den Treffen dabei wären, um ihre eigenen Ideen einzubringen? Wenn man ein großes Plenum schafft, in dem Fachleute mit den unterschiedlichsten Hintergründen zusammenkommen und gemeinsam brainstormen? Die Stifterverbands-Experten sind begeistert, die Idee der Werkräume ist geboren.

Quer- und Weiterdenker gesucht

Stifterverband
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Bald darauf hat die neue Initiative einen Namen: Wirkung hoch 100. Darin steckt die Zahl 100, weil 100 Projekte gefördert werden, und das anlässlich des 100. Geburtstages des Stifterverbandes. Und: Die Finanzierung steht zu großen Teilen, sie ist großzügig angelegt. 2,2 Millionen Euro konnte der Stifterverband schon bei Mitgliedern und Förderern auftreiben sowie bei Stiftungen, die im Deutschen Stiftungszentrum des Stifterverbandes betreut werden – genügend Mittel, damit der große Wurf gelingt und der Startschuss gegeben werden kann.

Alle 100 ausgewählten Projekte profitieren von der Expertise unseres Netzwerkes.
Mathias Winde (Foto: Damian Gorczany)
Mathias Winde (Foto: Damian Gorczany)

Mathias Winde

Leiter Aktionsfeld Wissenschaft beim Stifterverband

Austausch im Fokus

Ideen sind jetzt wichtiger denn je: Schulen und Hochschulen werden in Deutschland zur Eindämmung des Corona-Virus geschlossen. Lehren, Lernen und Forschen verlagern sich auf einen Schlag ins Internet – und die Fragen der Initiative rücken in den Mittelpunkt einer gesellschaftlichen Diskussion: Wie können wir unsere Schulen fit für die Zukunft machen? Wie können wir den Wandel hin zu einer digitalisierten Wissenschaft beschleunigen? Wie können Wirtschaft und Wissenschaft bei der Lösung von gesellschaftlichen Herausforderungen besser zusammenarbeiten?

Im Juni 2020 wird die Ausschreibung für die Förderung veröffentlicht, ab Juli können sich Projekte bewerben. Das erste große Treffen findet dann im Herbst 2020 statt. Am Westhafen in Berlin werden sie zusammenkommen, die vielversprechendsten Innovatoren und eine ganze Heerschar an weiteren Experten, Forschern, Beratern und Unternehmern. Der Startschuss für die erste von insgesamt drei Stufen: In dieser Phase I treffen sich die Initiatoren von 100 ausgewählten Projekten. Alle bekommen vielseitige Hilfen und Angebote, um ihr Projekt weiterzuentwickeln. „Das ist etwas, was wir bei unserem bisherigen Förderungen immer wieder gesehen haben: Den Bewerbern geht es nicht nur um das Geld, das der Sieger seiner Ausschreibung bekommt. Mindestens ebenso viel liegt ihnen am Austausch mit anderen, die vor den gleichen Problemen stehen, und mit Förderern und Experten, die neue Perspektiven auf die eigene Idee eröffnen“, sagt Mathias Winde. 

Illustration: Atelier Hauer+Dörfler
Illustration: Atelier Hauer+Dörfler

Deshalb sind 100 Projekte dabei, die weiterentwickelt werden – und erst nach dieser Phase werden jene 30 Ideen mit dem größten Wirkungspotenzial ausgewählt. Sie kommen in die Phase II: Beim nächsten Treffen werden die Ideen weiter ausgefeilt, vor allem mit Blick auf die Skalierbarkeit – wie finden sie möglichst weite Verbreitung? Wie lässt sich eine lokale Idee also überregional einsetzten, wie lässt sie sich vom bloßen Gedanken zu einem Konzept mit durchschlagender Wirkung entwickeln? Die 10 besten Ideen kommen in die Phase III. Insgesamt eine Million Euro stehen jetzt zur Verfügung, um das volle Potenzial aus den Ansätzen zu kitzeln. „Für mich ist der größte Reiz, dass es zwar am Ende drei Preisträger gibt“, sagt Mathias Winde, „aber dass alle 100 Projekte, die von Anfang an bei den Treffen dabei waren, viel Rückenwind bekommen und von der Expertise unseres Netzwerkes profitieren.“ Und Gewinner gibt es am Schluss sowieso noch mehr: Zu ihnen gehören alle, die in ganz Deutschland von den innovativen neuen Ansätzen profitieren.

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