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Frieden machen – aber wie?

UN-Blauhelme, Humanitäre Intervention, Mediation: Ideen zum Frieden gibt es viele, die Umsetzung scheint jedoch nicht immer einfach. Ein Beitrag der Plattform "Die Debatte".

Als im Juni 1945 die Charta der Vereinten Nationen (UNO) von den 51 Gründerstaaten unterzeichnet wurde, setzte man sich darin zum Ziel, „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren“. Gerade erst hatte man die Schrecken des Zweiten Weltkriegs hinter sich gelassen und sah nun in der Gründung des Staatenbündnisses einen Weg, neue Kriege zu vermeiden. Seitdem hat die Welt zahlreiche Friedensschlüsse – wie in Jugoslawien, Nordirland oder erst kürzlich in Kolumbien – aber auch zahlreiche neue Kriege und Konflikte erlebt. Welche Mittel braucht es also, um wirklich Frieden zu erreichen?

Internationale Organisationen und Bündnisse zwischen Staaten spielen tatsächlich eine wichtige Rolle bei der Friedenswahrung und Friedensschaffung. „Die Idee fängt im Grunde schon bei Immanuel Kant und seiner berühmten Schrift ‚Zum Ewigen Frieden’ an“, sagt Matthias Dembinski von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. „Er hat darin eine Trias von drei Friedensstrategien entworfen: eine internationale Organisation beziehungsweise einen Staatenbund, Demokratie und den Handel. Das ist bis heute noch relevant.“ Eine weitere kantische Regel: „Demokratien untereinander führen keinen Krieg“, sagt Dembinski. Eine These, die nach wie vor Bestand hat. Da jedoch die Zahl der zwischenstaatlichen Kriege in den vergangenen Jahren zurückging, stattdessen innerstaatliche Konflikte aber deutlich zugenommen haben, können schlichte Zusammenarbeit zwischen Staaten und Demokratien alleine nicht mehr für Frieden sorgen.

Darauf hat sich die UNO mit ihren Friedenstruppen, den sogenannten Blauhelmsoldaten eingestellt. Die militärischen Einheiten werden von den Mitgliedstaaten der UNO bereitgestellt und unter dem Kommando der UNO zu Friedenssicherungseinsätzen entsandt. Die Truppe kann sowohl präventiv als auch bei bereits eskalierten Konflikten – seien es Konflikte zwischen Staaten oder Bürgerkriege – entsandt werden. Aktuell sind die Blauhelme bei 15 sogenannten Friedensmissionen im Einsatz. Ihre Aufgaben sind heute weitaus vielschichtiger als bei den ersten dieser Einsätze. „Es geht nicht mehr darum, Frieden zu überwachen, sondern darum, Frieden zu schaffen”, sagt Dembinski. Die UN-Truppen sorgen nicht nur für die Einhaltung der Waffenruhe, sondern übernehmen auch andere wichtige Funktionen: „Die Missionen helfen, ehemalige Kombattanten wieder einzugliedern, Schutzzonen zu errichten und Flüchtlingslager zu bewachen. Sie sind für die Versorgung mit Lebensmitteln zuständig und beraten Staaten. Wir sind fast schon so weit, dass man sagen könnte: Moderne Blauhelmmissionen erhalten nicht nur die öffentliche Ordnung aufrecht, sondern sie übernehmen zum Teil schon Regierungsfunktionen.” Somit möchte die UNO auch durch den Aufbau von staatlichen Strukturen und der Versorgung der Bevölkerung zu Frieden beitragen. 

Logo: Die Debatte
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Dieser Artikel erschien zuerst auf "Die Debatte". Das ist ein gemeinsames Projekt von Wissenschaft im Dialog (WiD), dem Science Media Center Germany (SMC) und der TU Braunschweig, gefördert vom Stifterverband. Das Projekt möchte zeigen, dass die Wissenschaft zu aktuellen gesellschaftlichen Themen etwas beizutragen hat. Bisher ging es neben anderem um autonomes Fahren, Social Bots oder Alzheimer. Auf dem Blog finden sich vertiefende Hintergrundartikel und Interviews zu gesellschaftsrelevanten Themen. In regelmäßigen moderierten Live-Debatten beantworten zudem  Experten die Fragen des Publikums. Überzeugungen und Wissen werden hier einander gegenübergestellt. 

Im Angesicht eskalierender Gewalt und zum Schutz der Zivilbevölkerung wird auch immer wieder der direkte militärische Eingriff von außen durch einen Staatenverbund oder einen einzelnen Akteur diskutiert. „Diese sogenannte Humanitäre Intervention wurde seit 1945 in ungefähr 40 Fällen angewandt“, sagt Dembinski; zum Beispiel in Libyen im Jahr 2011. Die Rechtfertigung eines solchen Eingriffs ist völkerrechtlich und moralisch aber umstritten. Dembinski forscht an den Effekten Humanitärer Interventionen und kommt zu dem Schluss: „Pauschalurteile scheinen nicht zu stimmen, die Realität ist weitaus vielschichtiger. Es gibt Fälle, in denen sich die Situation in den Zielländern verbessert hat und kontrafaktische Überlegungen den Schluss nahelegen, die Intervention habe zum Rückgang der Gewalt beigetragen. Es gibt auf der anderen Seite eine Reihe von Fällen, in denen Interventionen das Gewaltniveau erhöht haben.“

Konsens herrscht dagegen darüber, dass zur Beilegung eines Konflikts stets Verhandlungen zwischen den beteiligten Konfliktparteien notwendig sind. Darin wird ausgelotet, wie und in welcher Form ein Waffenstillstand, ja sogar ein Friedensvertrag möglich ist. Häufig werden diese Verhandlungen als Mediation durchgeführt, also mit Hilfe einer dritten außenstehenden Partei, die die Rolle als Vermittler übernimmt. Insbesondere internationale Organisationen wie die UNO, die EU oder die Afrikanische Union haben sich in der Vermittlung von Friedensgesprächen in der Vergangenheit hervorgetan. Aber auch einzelne Staaten, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) oder religiöse Führer können Mediatoren sein. Wichtig ist, dass die Konfliktparteien den Mediator als neutrale Instanz betrachten und ihn als Verhandlungsführer akzeptieren. Zudem darf der Mediationsprozess keinesfalls erzwungen werden, denn Ziel ist, dass am Ende eine Lösung gefunden wird, die für alle beteiligten Akteure akzeptabel ist. Eine Regel ist auch, dass Konfliktparteien den Inhalt von Abkommen selbst definieren können und Mediatoren nur Vorschläge dazu machen.

Bedeutung der Zivilgesellschaft

Wenn man von Anfang an eine ausreichend breite Bürgerschaft hat, die hinter einem Friedensabkommen steht, ist es wahrscheinlicher, dass es umgesetzt wird.

Dana Landau

Inclusive Peace & Transition Initiative, Genf

Bei Verhandlungs- beziehungsweise Mediationsprozessen ist es relevant, dass nicht nur die bewaffneten Konfliktparteien, sondern auch die Zivilgesellschaft, wie etwa religiöse Gruppierungen, Minderheiten oder Gewerkschaften einbezogen werden. „Das Risiko zum Wiederaufflammen eines Konflikts ist in den ersten etwa fünf Jahren nach dessen Ende besonders groß. Wenn man von Anfang an eine ausreichend breite Bürgerschaft hat, die hinter einem Friedensabkommen steht, ist es wahrscheinlicher, dass es umgesetzt wird“, sagt Dana Landau von der Inclusive Peace & Transition Initiative in Genf. Ein Verständnis, dass auch Mediationsexperten teilen. „Wenn es aber um die harten Verhandlungen geht, wird dieses rhetorische Bekenntnis dann doch oft zweitrangig, denn sie denken: ‚Als erstes müssen wir einen Waffenstillstand erreichen und dabei müssen nicht diese und jene mitreden’. Die Frage von Effizienz steht da vis-à-vis mit dem idealen Prozess“, sagt Landau.

Sobald ein Friedensprozess weiter voranschreitet, ist auch die juristische und vor allem gesellschaftliche Aufarbeitung eines Konflikts wichtig. Denn Frieden als Prozess dauert deutlich länger als bis zur bloßen Unterzeichnung eines Waffenstillstands. Somit wird Frieden zu einer vielschichtigen Angelegenheit. Ein Patentrezept dafür scheint es schlichtweg nicht zu geben. Dafür sind Konflikte an sich zu verschieden – mit immer unterschiedlichen Akteurskonstellationen, Dynamiken und lokalen Gegebenheiten. Die wissenschaftliche Forschung könne aber einen entscheidenden Beitrag zur Herangehensweise leisten, so Landau. „Es sind oft ähnliche Faktoren, die mit hineinspielen und wichtig sind. Man muss die verallgemeinerbaren Schlussfolgerungen, die man aus der vergleichenden Forschung zieht, in jedem einzelnen Fall kontextspezifisch anwenden.“