Illustration: Atelier Hauer+Dörfler
Illustration: Atelier Hauer+Dörfler

„Für innovative Ideen muss man in großen Bögen denken“

Julia Kubasch von dem globalen Technologieunternehmen Freudenberg im Gespräch über Innovationen, die Stifterverbands-Initiative Wirkung hoch 100 – und darüber, was das mit Brennstoffzellen zu tun hat.

Frau Kubasch, die Firma Freudenberg trägt das Thema Innovation ja schon in ihrem Logo zur Schau
… genau, unser Unternehmensslogan ist „Innovating Together“. Wir sind ein Technologie-Unternehmen mit großer Branchenvielfalt, da spielen Innovationen natürlich eine wesentliche Rolle…

… und bei der Initiative Wirkung hoch 100 sind Sie Matching-Partner eines Projekts, das „Innovation Coach Program“ heißt. Das klingt nicht nach Zufall.
Ist es auch nicht. Der Ansatz bei Wirkung hoch 100 besteht darin, Unternehmen in die Werkräume einzubinden, in denen Konzepte und Ideen weiterentwickelt werden. Wir haben uns genau angeschaut, welches der 100 Projekte gut zu uns passt, und schnell das „Innovation Coach Program“ gefunden. Darin geht es um die Vernetzung und Weiterbildung von Schlüsselmitarbeitenden aus familiengeführten Unternehmen, die lernen, wie kleine und mittelständische Firmen ihr Innovationspotenzial besser ausschöpfen können. Uns war es wichtig, ein Projekt zu begleiten, von dem wir sicher sind, dass es etwas bewirkt – und dass wir voneinander lernen können.

Plaudern Sie mal aus dem Nähkästchen: Wie läuft es ab, dieses Voneinander-Lernen?
Wir haben uns nach der Auswahl unseres Patenprojekts mit den Projekt-Initiatoren verabredet und sind weit über die Werkräume hinaus im Kontakt. Wir haben ihnen konkrete Einblicke gegeben, wie wir hier bei Freudenberg mit dem Thema Innovation umgehen, zum Beispiel mithilfe der Szenario-Technik.

Zur Person

Julia Kubasch (Foto: Marco Schilling/Freudenberg)
Julia Kubasch (Foto: Marco Schilling/Freudenberg)

Julia Kubasch ist Chemikerin und Head of Public Funding bei der Freudenberg Gruppe mit Sitz in Weinheim. Das über 170-jährige Technologieunternehmen in Familienbesitz beschäftigt weltweit rund 48.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zum Portfolio gehören Dichtungen, schwingungstechnische Komponenten, technische Textilien, Filter, Reinigungstechnologien und -produkte, Spezialchemie und medizintechnische Produkte. Freudenberg fördert seit 1950 den Stifterverband und ist seit 1978 im Vorstand des Stifterverbandes vertreten.

Uns war es wichtig, ein Projekt zu begleiten, von dem wir sicher sind, dass es etwas bewirkt – und dass wir voneinander lernen können.
Julia Kubasch (Foto: Marco Schilling/Freudenberg)
Julia Kubasch (Foto: Marco Schilling/Freudenberg)

Julia Kubasch

Head of Public Funding bei der Freudenberg Gruppe

Was ist das?
Wir stellen uns etwa vor, wie die Welt im Jahr 2050 aussehen könnte. Eine der Prämissen könnte sein, dass es bis dahin keine fossilen Energieträger mehr geben wird – und dann überlegen wir, wie wir uns als Unternehmen heute vorbereiten müssen, damit wir auch unter diesen Bedingungen in der Zukunft noch erfolgreich sind.

Das ist jetzt die eine Richtung: die, wie die Initiatorinnen und Initiatoren des Projekts von Ihnen lernen können. Lernen Sie selbst auch etwas?
Aber natürlich! Im „Innovation Coach Program“ werden viele Praxisbeispiele gesammelt, wie Firmen in Familienbesitz gezielt an Innovationen arbeiten. Aus diesem Grund wurde als Ergebnis aus dem ersten Werkraum die „Innovation Campus Plattform“ gegründet: Diese Plattform des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen (FIF) und der FIF-Ausgründung Philoneos vernetzt die Innovatorinnen und Innovatoren familiengeführter Unternehmen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Diese Vernetzung führt zur Schaffung eines sogenannten „Co-Creation Netzwerks“, in dem man sich gegenseitig Hilfestellungen geben, Erfahrungen austauschen und auch von der begleitenden Forschung an Universitäten lernen kann.

Die Jubiläumsinitiative „Wirkung hoch 100“

Stifterverband
Stifterverband

Im 100. Jahr seines Bestehens sucht der Stifterverband Deutschlands beste 100 Ideen und Projekte für das Bildungs-, Wissenschafts- und Innovationssystem von morgen. Gemeinsam mit dem großen Partnernetzwerk des Stifterverbandes, bestehend aus Stiftungen, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, vernetzt „Wirkung hoch 100“ Weiterdenker und Pioniere und verhilft ihren Projekten zum Durchbruch. In einem mehrstufigen Verfahren werden aus den 100 Projektem Ende 2021 drei ausgewählt.

Mehr Artikel zu „Wirkung hoch 100“ auf MERTON.

Bei Wirkung hoch 100 gibt es 99 weitere Projekte, die Freudenberg nicht direkt begleitet – haben Sie von denen auch etwas mitbekommen?
Ja, und das fand ich sehr inspirierend! Wegen der pandemiebedingten Onlineformate war der Kontakt natürlich etwas komplizierter als bei einer Präsenzveranstaltung, aber im ersten Werkraum gab es themenspezifische Sessions, in denen sich die unterschiedlichsten Projekte in kurzen Pitches vorgestellt haben und man Fragen stellen konnte. Besonders gelungen fand ich eine andere Idee: Da wurden uns Partnern per Zufallsprinzip jeweils zwei Projekte zugeordnet, mit deren Initiatorinnen und Initiatoren wir uns kurz austauschen konnten. So habe ich zum Beispiel das Projekt „Fella – Female Leadership im ländlichen Raum“ kennengelernt, in dem Frauen mittels Peer-To-Peer-Learning ihre Führungsqualitäten ausbauen können, mit dem Ziel, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen und zu vernetzen. 

Warum hat sich Freudenberg eigentlich entschieden, Partner der Jubiläumsinitiative des Stifterverbandes zu werden?
Wir sind schon seit mehr als vier Jahrzehnten eng mit dem Stifterverband verbunden, weil wir die zentralen Themen – Bildung, Wissenschaft, Innovation – für sehr wichtig halten. Bei Wirkung hoch 100 gefällt uns der neuartige Ansatz: Man bewertet nicht einen eingereichten Antrag, in dem steht, wie in der Zukunft ein Projekt aufgebaut werden soll, sondern es sind Projekte beteiligt, die schon bewiesen haben, dass sie funktionieren. Jetzt geht es um deren Weiterentwicklung – und besonders reizvoll erscheint mir, dass gemeinsam daran gearbeitet wird, durch Vernetzung.

Sie selbst haben als Chemikerin mehr als zehn Jahre in der Produktentwicklung gearbeitet. Was verstehen Sie aus dieser Praxis heraus eigentlich unter Innovation?
Es gibt zum einen disruptive Innovationen, die angestammte Märkte komplett verändern. Es gibt signifikante Innovationen, die deutliche Verbesserungen bringen. Und dann gibt es inkrementelle Innovationen, bei denen ein bestehendes Produkt verbessert und in kleinen Schritten immer weiterentwickelt wird. Hier bei Freudenberg sind wir in allen dieser drei Kategorien unterwegs. Und eins haben wir dabei gelernt.

Nämlich?
Dass man einen langen Atem braucht. So arbeiten wir beispielsweise seit mehr als 20 Jahren an Komponenten für Brennstoffzellen, obwohl von vornherein klar war, dass dies ein langfristiges Thema ist. Wir haben darin aber immer gewaltige Chancen gesehen, gerade für den Bereich der Nutzfahrzeuge. Und jetzt, wo das Thema beispielsweise durch die nationalen und europäischen Wasserstoffstrategien tatsächlich relevant wird, können wir auf eine breitgefächerte Expertise zurückgreifen. Mir macht dieses Beispiel immer klar: Für innovative Ideen muss man in großen Bögen denken. 

Kraftstoffdeckel eines Autos mit Brennstoffzelle (Foto: iStock.com/audioundwerbung)
Kraftstoffdeckel eines Autos mit Brennstoffzelle (Foto: iStock.com/audioundwerbung)
Freudenberg arbeitet seit mehr als 20 Jahren an Komponenten für Brennstoffzellen.

Das Interview erschien zuerst im Jahresbericht 2020/21 des Stifterverbandes.

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