Foto: Valeska Achenbach
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Future Lab: Netzwerken neu gedacht

In seinen Innovationslaboren bringt der Stifterverband Vordenkerinnen und Vordenker in multidisziplinären Teams zusammen. So wie im innOsci Future Lab, das nach Ideen sucht, wie sich mit Open Science die Innovationskultur an Hochschulen stärken lässt.

Es war ganz in der Nähe der Queen, dass Verena Heise zum ersten Mal so richtig in das Thema der offenen Wissenschaft eingetaucht ist: Während ihrer elfjährigen Forschungszeit in Oxford war das, mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fuhr die Biomedizinerin zu einem Seminar nach Windsor. „Dort gibt es ein kleineres Schloss, das für solche Aufenthalte genutzt wird“, sagt Verena Heise und schmunzelt: „Und immer abends wird das Gelände abgeschlossen, sodass man da wirklich sehr auf sich allein gestellt ist und in tiefe Gespräche eintauchen kann.“ Das Thema war „reproduceable and open science“ – ein Bereich, für den sich Verena Heise seither engagiert.

Verena Heise (Foto: privat)
Verena Heise (Foto: privat)
Die Wissenschaftlerin Verena Heise ist eine von zwölf Fellows, die am innOsci Future Lab des Stifterverbandes teilnehmen.

Inzwischen forscht sie wieder in Deutschland, am Hanse-Wissenschaftskolleg in Delmenhorst. Und sie ist eine von zwölf Fellows des innOsci Future Lab beim Stifterverband – einer Art Thinktank, in dem sich junge Expertinnen und Experten Gedanken dazu machen, wie sich das Prinzip der offenen Wissenschaft weiter fördern lässt. Der Stifterverband verfolgt damit ein klares Ziel: Die Verankerung von Open Science bringt einen klaren gesellschaftlichen Nutzen. Die Stärkung der Innovationsfähigkeit zum Beispiel ist nur einer von mehreren Vorteilen der offenen Wissenschaftskultur. Verena Heise muss in ihren Gesprächen oft erklären, was sich eigentlich hinter dem Open-Science-Ansatz verbirgt. Im Grunde genommen geht es um maximale Transparenz, schildert sie dann: Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Studien offen zugänglich machen, wenn Publikationen in der Forschercommunity geteilt werden, dann bringt diese Offenheit die Forschung insgesamt voran – Open Access heißt dieser bekannteste Aspekt.

Daneben gehören aber beispielsweise auch Open Source und Open Data zur offenen Wissenschaftspraxis; Ansätze zur freien Verwendung von Software und Daten sind das. Und, fügt Verena Heise hinzu, nicht zu vergessen die Reproduzierbarkeit: Experimente sollten so klar und transparent dokumentiert werden, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler irgendwo anders auf der Welt sie nachvollziehen und sogar nachmachen können.

Future Labs des Stifterverbandes: Werkstätten für innovative Ideen

Foto: Valeska Achenbach
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Im Future Lab treffen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in kreativer, offener Atmosphäre. Während der Corona-Krise fanden die Treffen virtuell statt.

Alle diese Aspekte spielen bei der innOsci-Initiative des Stifterverbandes eine Rolle. 2019 wurde innOsci als Forum für offene Innovationskultur gegründet. Eine Plattform soll es sein, auf der die Diskurse zu diesem Thema gebündelt werden. Der Stifterverband will aber auch zum Anstifter werden – und hier kommt das Future Lab ins Spiel: Werkstätten sind das, in denen der Stifterverband ausgewählte Expertinnen und Experten zusammenbringt, damit sie an Lösungen für aktuelle Herausforderungen in den Feldern von Bildung, Wissenschaft und Innovation arbeiten. Eines dieser Future Labs hat die offene Wissenschaft zum Thema. Hier stecken Verena Heise und die anderen Fellows ihre Köpfe zusammen.

Ein Jahr lang haben sie Zeit, eigene Ansätze zu entwickeln und zu erproben – und beim innOsci-Forum mitzuarbeiten und die Policy-Empfehlungen mitzugestalten. Ein weiteres entscheidendes Ziel ist es, die verschiedenen Diskurse innerhalb der Open-Science-Bewegung zusammenzuführen und die gemeinsame Haltung sowie die gemeinsamen Praktiken zu betonen, die dahinterstehen.

Die Fellows bringen dazu unterschiedliche Perspektiven auf ihr gemeinsames Thema mit: Neben Forscherinnen und Forschern wie Verena Heise waren auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Bibliotheken dabei, Expertinnen und Experten für Citizen-Science, aber beispielsweise auch Spezialistinnen und Spezialisten für Co-Creation – zwölf Blickrichtungen, die sich ergänzen und während der Arbeitsphasen noch durch Einblicke von außen angereichert werden, die Gäste in zielgerichteten Interviews gaben.

Mehr Bewusstsein für offenen Wissenschaft schaffen

„Das Open-Science-Thema ist noch eine Graswurzelbewegung“, sagt Verena Heise. Es sei ein langer Weg, um die Gedanken salonfähig zu machen – allein schon deshalb, weil derzeit für eine wissenschaftliche Karriere vor allem Publikationen in namhaften Zeitschriften zählen. Das und viele andere Funktionsweisen des akademischen Betriebs seien Hindernisse auf dem Weg zu einer wirklich offenen Wissenschaft. „Das Thema wird aber immer bedeutungsvoller, und gerade im angelsächsischen Raum wird es inzwischen auch von Forschungsförderern vorangetrieben“, sagt Verena Heise. Als der Stifterverband sein innOsci-Programm auflegte, war ihr gleich klar, dass sie dabei sein möchte. „Mich treibt schon länger die Frage um, wie man Pionierinnen und Pioniere in diesem Bereich unterstützen kann“, sagt sie.

Im innOsci-Programm kann sie an dieser Unterstützung mitwirken. Vier Ansätze hat sie mit den anderen Fellows gewählt, die sie für besonders vielversprechend halten – und deshalb jetzt weiterentwickeln. Verena Heise arbeitet jetzt an einem Selbsteinschätzungs-Tool für Hochschulen mit: Sie erstellen eine Art Umfrage, in der Hochschulen einschätzen, wie sie es mit Open Science halten und wie gut die Bedingungen sind, die sie dafür bieten. „Das soll ein Instrument für die Hochschulentwicklung werden“, sagt Verena Heise. „Wir wollen mit unserem Tool ein Bewusstsein für das Thema schaffen und auch zeigen, dass zu Open Science viel mehr gehört als nur der Bereich Open Access, den die meisten erst einmal damit assoziieren.“

Foto: Valeska Achenbach
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Gemeinsam Ideen entwickeln und Netzwerke knüpfen - das ist das Prinzip des Future Labs
Das Open-Science-Thema ist noch eine Graswurzelbewegung.
Verena Heise (Foto: privat)
Verena Heise (Foto: privat)

Verena Heise

Der besondere Reiz dieses Selbsteinschätzungs-Tools liegt für Verena Heise darin, dass es die übliche Richtung im Engagement für offene Wissenschaft umdreht: Statt Studierender und junger Forscherinnen und Forscher sind dabei die Hochschulleitungen gefragt. „Das große Problem ist, dass die meisten Anhängerinnen und Anhänger der offenen Wissenschaft nicht an den Schaltstellen sitzen“, hat Heise beobachtet. Mit dem Werkzeug, an dem sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen arbeitet, will sie den Hochschulen konkrete Handlungsempfehlungen mitgeben, wie sie den Bereich stärken können – und ihnen dabei helfen, einen konkreten Fahrplan für die Umsetzung zu entwickeln.

Manchmal, wenn sich Verena Heise wieder einmal den Kopf zerbrochen hat über neue Möglichkeiten, die offene Wissenschaft voranzubringen, denkt sie zurück an den Beginn ihres Studiums. „Ich habe mich ganz bewusst nicht für ein Medizinstudium entschieden, sondern für Biomedizin, weil ich nicht einem einzelnen Patienten helfen, sondern die Forschung insgesamt voranbringen will“, sagt sie. Die Überlegung, wie sie möglichst vielen Patientinnen und Patienten helfen könne, die sei für sie maßgeblich gewesen. „Ich bin eine ganz schreckliche Idealistin“, sagt sie und lacht. Eine gute Voraussetzung für ihre Forschung – und für ihr Engagement für die offene Wissenschaft.

Das Future Lab des Stifterverbandes

Foto: Valeska Achenbach
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Das Future Lab ist ein neues Format des Stifterverbandes. Darin bringt er multidisziplinäre Wissensgeber in einer geschützten Arbeitsumgebung zusammen, die Kreativität, gegenseitiges Lernen und Innovationskultur fördert. Mit agilen sowie kollaborativen Arbeitsmethoden arbeiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam an aktuellen Herausforderungen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Innovation.

Der Artikel erschien zuerst im Jahresbericht 2020/21 des Stifterverbandes.

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