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„Künstliche Intelligenz wird die Medizin stark verändern“

Künstliche Intelligenz (KI) gilt als großes Versprechen unserer Zeit. Ob bei autonom fahrenden Fahrzeugen, als Roboter oder in intelligenten OP-Sälen – es gibt kaum einen Bereich, in dem sie nicht entscheidend unterstützen könnte.

Allgemein gilt KI als Teilbereich der Informatik, der sich mit maschinellem Lernen befasst; inzwischen ist KI aber in verschiedensten Disziplinen längst zum Forschungs- und Anwendungsgegenstand geworden. „Die KI erforscht und verwendet Methoden, die es dem Computer ermöglichen, Aufgaben zu lösen, für die ein Mensch Intelligenz einsetzt”, sagt Gerd Reis, stellvertretender Direktor des Forschungsbereichs Augmented Vision am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Eine allgemeingültige Definition von KI ist dies hingegen nicht, weil allein der Begriff „Intelligenz” nicht eindeutig definiert ist.

Die ersten intelligenten Computer

Historische Supercomputer
Historische Supercomputer (Foto: iStock/baranozdemir)

Schon Ende der 1950er entstand mit der Entwicklung erster Computer auch immer wieder der Versuch, menschliche Wahrnehmung und menschliches Handeln automatisiert durch Computer nachzubilden. Doch erst die technologischen Entwicklungen in jüngster Zeit haben dazu geführt, dass die KI immer stärker in den Fokus gelangt ist – denn lange Zeit waren Computer schlicht zu langsam, um Ergebnisse mit praktischer Relevanz berechnen zu können.

Im Vordergrund der Entwicklung stand lange Zeit das Lösen von komplexen Aufgaben. Doch inzwischen sind Computer sogar in der Lage, einzelne Informationen miteinander zu verknüpfen und dadurch weiter zu lernen. Entscheidend dafür war insbesondere die Entwicklung sogenannter neuronaler Netze. Diese sind dem menschlichen Gehirn nachempfunden und ahmen die Funktion vereinfacht nach. „Dennoch ist es vom Vorgehen etwas ganz anderes, als Denken und Lernen bei Menschen funktioniert”, sagt Reis. „Wenn ich einem Kind eine Katze zeige, wird es nur ein Beispiel brauchen, um sämtliche Katzen zu identifizieren. Einem Computer hingegen muss ich sehr viele Bilder von Katzen zeigen und dennoch ist der Computer anfälliger, eine Katze nicht als solche zu identifizieren. Er geht nicht intuitiv vor.”

Aljoscha Burchardt (DFKI)

„Wir werden Technologie vielleicht mal für Dinge und Entscheidungen einsetzen, wo wir hinterher sagen: Nein, das wollen wir nicht.“

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Video: KI - Wird ein Traum wahr?

Doch nicht nur die Entwicklung der Software war eine entscheidende Voraussetzung, um die Algorithmen zu trainieren. „KI funktioniert nur mit großen Datenmengen. Deswegen ist die Digitalisierung die notwendige Bedingung, dass KI auch angewandt werden kann,” sagt Klemens Budde, Leitender Oberarzt an der Charité Berlin und Leiter der Arbeitsgruppe „Gesundheit, Medizintechnik, Pflege“ der Plattform Lernende Systeme.

Schon in unserem Alltag findet KI zahlreiche Anwendungen, andere stehen unmittelbar bevor: Autonome Fahrzeuge können bereits vollautomatisiert fahren, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. In unseren Smartphones sind Sprach- und Bilderkennung längst üblich. Und auch in der Medizin gibt es zahlreiche mögliche Anwendungen. „Das Potenzial, die Medizin zu beeinflussen und zu verändern, ist riesig und eröffnet uns Medizinern die Chance in vielerlei Hinsicht eine bessere Medizin zu machen”, sagt Budde. Gerd Reis prognostiziert sogar, dass sich die KI langfristig unersetzlich macht. „Die Anwendungen explodieren momentan förmlich. Denn was wir jetzt haben, ist nichts anderes als ein relativ allgemeines Werkzeug. Aber wenn das erst einmal erfunden ist, werden sich die Anwendungsbereiche immer weiter entwickeln. Dadurch bieten sich Optionen, die wir in Zukunft nicht mehr missen wollen.”

Auch die Bundesregierung hat das große Potenzial von KI längst erkannt und sich in der Vergangenheit intensiv mit der Thematik beschäftigt. Als Ergebnis steht die im November 2018 beschlossene „Strategie Künstliche Intelligenz”, für deren Umsetzung sie bis Ende 2025 drei Milliarden Euro investieren möchte. Darin heißt es zum einen, dass Deutschland zum „weltweit führenden Standort in der Entwicklung und Anwendung künstlicher Intelligenz” werden soll, andererseits thematisiert das Papier aber auch mögliche Risiken.

Forschungsgipfel 2019

Illustration: Stifterverband/ Lisa Syniawa

Der Forschungsgipfel 2019 steht ganz im Zeichen der künstlichen Intelligenz (KI). Das brandaktuelle Thema wirft zahlreiche Fragen auf: Was kann KI heute bereits leisten und was nicht? An welchen ethischen Prinzipien sollte sich die Entwicklung von KI orientieren? Ist Deutschland bei der Entwicklung und beim Einsatz von KI bestmöglich aufgestellt? Wie kann die Teilhabe Deutschlands und Europas an der Weiterentwicklung von und die Wertschöpfung durch KI gesichert werden?

Lesen Sie mehr zum Thema Künstliche Intelligenz in einer MERTON-Artikelserie zum Forschungsgipfel. 

Denn bei all den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten gibt es auch Bedenken, welche Auswirkungen KI auf unser tägliches Leben haben wird. Insbesondere, wenn es auch um den Umgang mit persönlichen Daten geht, die beispielsweise in der Medizin ausgewertet und verarbeitet werden. „Neben der Datenanwendung und der Datenverknüpfung ist der Datenschutz ein zentraler Aspekt bei der praktischen Umsetzung von KI”, sagt Budde. „Das unterscheidet uns in Europa grundlegend von dem Ansatz in den USA, wo die kommerziellen Interessen viel stärker im Vordergrund stehen und von China, wo der Staat die Daten zu eigenen Zwecken nutzt. Mit unserem europäischen Ansatz wollen wir eigene ethische Prinzipien etablieren. Vor allem wollen wir verhindern, dass kommerzielle oder staatliche Interessen den Datenschutz unserer Bürger beeinträchtigen.”

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GIF: 10 Anwendungen der KI in der Medizin

Auch die Sorge, KI würde den Menschen in vielen Berufen langfristig ersetzen, wird immer wieder diskutiert. Die Experten teilen diese Angst jedoch nicht. „Die KI kann nicht empathisch sein, daher wird sie den Menschen nie vollständig ersetzen”, ist sich Reis sicher. Auch Budde sieht die KI nicht als Konkurrenz für seine Tätigkeit: „Meiner Ansicht nach wird sich KI vor allem als Assistenzsystem in der Medizin etablieren, welches den Arzt primär unterstützt und monotone, sich wiederholende Aufgaben übernehmen könnte.”

Doch damit das gelingt, braucht es insbesondere die Politik und Medien, die den Sorgen der Gesellschaft entsprechend begegnen: „Die Politik muss bestimmte Rahmen setzen, wie man KI am besten einsetzen kann, die Medien hingegen sollten die neuen Möglichkeiten ergebnisoffen kommunizieren. Denn die KI als solche ist nur ein Tool, dass sich sowohl zum Nutzen als auch zum Schaden der Gesellschaft einsetzen lässt”, so Reis.

Hintergrund

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Dieser Artikel erschien zuerst auf Die Debatte. Das ist ein gemeinsames Projekt von Wissenschaft im Dialog (WiD), dem Science Media Center Germany (SMC) und der TU Braunschweig, gefördert vom Stifterverband. Das Projekt möchte zeigen, dass Wissenschaft zu aktuellen gesellschaft­lichen Themen viel beizutragen hat. Die jüngste Debatte beschäftigt sich mit KI. Auf dem Blog finden sich vertiefende Hintergrund­artikel und Interviews zu gesellschafts­relevanten Themen. In regelmäßigen moderierten Live-Debatten beantworten zudem  Experten die Fragen des Publikums. Überzeu­gungen und Wissen werden hier einander gegenüber­gestellt.