Podcast-Hören per App
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Podcasting als Resterampe?

Das öffentlich-rechtliche Radio muss sich angesichts der Netzkonkurrenz neu erfinden. Auch kommerzielle Dienste versuchen bereits, das Podcasting zu vereinnahmen. Nicht immer zur Freude der freien Szene.

Lohnt es sich für einen öffentlich-rechtlichen Sender, die Vorteile von Audioinhalten bewusst herauszustellen? Diese ehrlich gemeinte Frage auf der Podcastkonferenz Subscribe brachte Marcus Schuler vom Bayerischen Rundfunk sichtlich ins Schwimmen. Dazu, räumte Schuler schulterzuckend ein, gebe es schlicht keine Erfahrungen. Die Aussage Schulers ist symptomatisch für die Position der Radiosender. Mit ihren ins Netz gestellten Programmen sind sie zwar die Platzhirsche der Podcastszene; öffentlich-rechtliche Angebote sind mit Abstand die meistgehörten. Doch bislang mussten sich diese gebührenfinanzierten Anbieter recht wenig Gedanken über Präsentation und Vermarktung ihrer Podcasts machen. „Das lineare Geschäft wird einfach in Stücke gehackt, im besten Fall mit einem Jingle versehen – und dann rausgeschickt“, schildert Markus Heidmeier, Leiter des Deutschlandradio.Labs, etwas frustriert das Vorgehen der meisten Funkhäuser.  

Heidmeier und Schuler gelten in der öffentlich-rechtlichen Radiolandschaft als Neuerer. Doch in ihrem Bemühen, Bewegung ins Audioangebot der Anstalten zu bringen, stoßen sie auf starke strukturelle, personelle wie auch rechtlich begründete Beharrungskräfte. „Es gibt viele alte Haie, die auch versuchen, Ideen wegzubeißen“, sagt Deutschlandradio.Lab-Mitarbeiter Markus Waldhauser auf der diesjährigen re:publica. „Die wollen kurz vor der Rente nicht noch Veränderungen anstoßen.“ 

Auf der Netzkonferenz wurde dann auch klar, dass längst nicht mehr die großen Rundfunkanstalten die Treiber der Entwicklung sind: Streamingplattformen wie Spotify, SoundCloud und Audible holen besonders die jungen Nutzer dort ab, wo sie bereits sind: im Netz. Statt für eine bestimmte Sendung das Radio einzuschalten, hören sie selbstbestimmt per Smartphone oder Tablet allerlei verfügbare Audioinhalte – wann und wo sie wollen. Dazu, sagt Waldhauser, bringe die Entwicklung des autonomen Fahrens die traditionellen Radiomacher in Bedrängnis: Künftig werde das Radio nicht mehr nebenbei eingeschaltet; stattdessen würden sich auch Autoinsassen ihrem Smartphone-Display widmen. Dann hätten die klassischen Radioanbieter ein Problem. „Die öffentlich-rechtlichen müssen sich verändern, um ihren Auftrag noch wahrnehmen zu können“, warnt Waldhauser. „Radiostationen werden zu Podcasthubs – oder sie werden gar nicht sein“, lautet die schonungslose Prophezeiung des Berliner Podcasters Ralf Stockmann.

An Ideen dazu werde bereits getüftelt, sagt Markus Heidmeier. Im Lab des Deutschlandradios denke man über Inhalte nach, die es nur als Podcast im Netz gibt (podcast only). „Dazu überlegen wir, Inhalte aus dem linearen Geschäft neu zu konzeptionieren – und auch zu kuratieren.“ So könnte es etwa einen Literaturpodcast aus Inhalten aller drei Deutschlandradio-Programme geben, „bei dem das geschriebene Wort die gemeinsame Klammer ist“. Dazu, sagt Heidmeier, wolle man 360-Grad-artig – also auf allen Plattformen – rund um das Format präsent sein.

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Um die Hörer adäquat zu erreichen, feilt Marcus Schuler für den BR an einem Podcastplayer, der – ein wenig wie das Dating-Tool Tinder – Interessengebiete und Vorlieben abfragt; „und dann lernt die App vom Nutzerverhalten“. Auch sein BR-Team, betonte Schuler auf der Subscribe, wolle mehr über das Podcasting an sich lernen. Schuler brachte selbst eine gemeinsame Plattform öffentlich-rechtlicher und „alternativer“ Podcastproduzenten ins Spiel. „Ich glaube, es ist keinem gedient, wenn Inhalte hinter den Mauern von Spotify und anderen verschwinden.“

Ein Interesse, das auch freie Podcaster wie Tim Pritlove teilen: Auch er formulierte im Interview mit dem Stifterverband die Sorge darüber, dass Audioinhalte auch weiterhin offen zugänglich und gut auffindbar bleiben. 

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