Tanz dich frei!
Ob Heimkind oder zugewandertes Mädchen mit holprigem Deutsch: Für viele Kinder aus prekären Verhältnissen ist der Bildungsaufstieg steil und unübersichtlich. Dort hoch zu müssen – wie fühlt sich das an? Choreograf Detlef Soost und PR-Beraterin Natalya Nepomnyashcha erzählen davon. Ein Gespräch über berühmte Mentoren, haarsträubende Urteile und angstbefreiende Momente.
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Herr Soost, Ihre Kindheit war wahrlich nicht leicht. Sie mussten ohne Vater aufwachsen. Ihre Mutter litt unter Depressionen, war alkohol- und tablettenabhängig und starb, als Sie 13 Jahre alt waren. Wer hat Ihnen damals Halt und Orientierung gegeben? Vielleicht Lehrkräfte in der Schule?
Detlef Soost:
Frau Nepomnyashcha, wie war das bei Ihnen? War das deutsche Schulsystem für Sie hilfreich und aufbauend? Sie sind als Kind von Kiew nach Bayern gezogen, ohne Deutschkenntnisse, mitten hinein in einen sozialen Brennpunkt.
Natalya Nepomnyashcha:
Herr Soost, Sie sind heute ein erfolgreicher Unternehmer, Choreograf, Tänzer, Coach und Moderator – allen Widerständen zum Trotz. Wenn Sie zurückschauen: Was hat im Schulunterricht gefehlt?
Detlef Soost:
Vermutlich waren diese Entscheidungen für Sie nicht ganz so leicht. Mussten Sie sich nach oben kämpfen?
Detlef Soost:
Du brauchst eine Idee. Wenn du keine Idee, keine Vision, kein Ziel hast, brauchst du dich nicht wundern, wenn du nirgendwo ankommst oder wenn du irgendwo landest, wo du gar nicht hin wolltest.
Detlef Soost
Frau Nepomnyashcha, Sie sind selbstbewusst Ihren Weg gegangen. Wie sehen Sie im Rückblick Ihre damalige Situation? Hätte es auch anders kommen können? Wie wichtig waren außerschulische Angebote?
Natalya Nepomnyashcha:
Außerschulische Bildung gilt als Schlüssel für den Aufstieg sozial benachteiligter Kinder. Diese Angebote fristen aber in bildungspolitischen Diskussionen ein Schattendasein. Die von Ihnen gegründete Plattform „Netzwerk Chancen“ steuert hier gegen. Wollen Sie anderen ersparen, was Sie schmerzhaft erleben mussten?
Natalya Nepomnyashcha:
Sie haben sich nie entmutigen lassen. Wer oder was konnte Ihre Selbstzweifel hinwegfegen?
Natalya Nepomnyashcha:
Ich habe mich sehr lange als Mensch zweiter Klasse gefühlt. Wenn einem ganz oft eingeredet wird, dass man es nicht kann, dass man nicht gut genug ist, dann geht das irgendwie in das eigene Selbstverständnis über.
Natalya Nepomnyashcha
Herr Soost, was sollten sich junge Menschen vornehmen, die noch keinen Plan fürs berufliche Leben haben? Was hat Ihnen geholfen?
Detlef Soost:
Frau Nepomnyashcha, Ihr neues Projekt „Netzwerk Chancen. Aufsteiger“ setzt an dieser Stelle an. Für wen ist es geeignet und was bieten Sie an?
Natalya Nepomnyashcha:
Das Gespräch entstand am Rande der Veranstaltung "Bildung ist mehr als Schule". Sie wurde von der Stiftung Bildung und Gesellschaft organisiert.