Katharina Krentz (Foto: Dominik Eisele)
Katharina Krentz (Foto: Dominik Eisele)

Wie Arbeit wieder laut wird: #WOL

Katharina Krentz will die Zusammenarbeit bei Bosch verändern: „digital, offen, gemeinsam“ heißt die Devise. In ihrer Initiative „Working Out Loud“ (WOL) bringt sie Mitarbeiter mit den unterschiedlichsten Kenntnissen und Fähigkeiten zusammen und lässt sie gemeinsam die Herausforderungen der digitalen Transformation meistern. Teil 5 unserer Reihe „Weiter.Denker“.

Kommunikation – das Reden, Plaudern, Konferieren – ist so alt wie die Menschheit. Und ebenso alt dürfte der Drang sein, nicht nur aus reinem Spaß zu plauschen, sondern weil man gemeinsame Ziele verfolgt. Regelmäßige Abteilungsmeetings gehören deshalb selbstverständlich zu einem Unternehmen dazu: Wo sind wir gerade, wo wollen wir hin, welche neuen Strategien entwickeln wir dafür? In der Arbeitswelt 4.0 bedeutet Kommunikation aber noch viel mehr: sich zu vernetzen oder Wissen zu teilen zwischen Abteilungen oder auch zwischen verschiedenen Unternehmen und anderen Institutionen.

Katharina Krentz ist seit 2005 Mitarbeiterin bei Bosch und seit 2012 dort Expertin für digitale Zusammenarbeit. Sie hat in ihrem Unternehmen eine neue Art der Zusammenarbeit etabliert, die sich „Working Out Loud“ (WOL) nennt – ein Begriff, den der US-Amerikaner und New-Work-Guru John Stepper geprägt hat. WOL steht für offene, transparente Zusammenarbeit mit und in Netzwerken, hauptsächlich im virtuellen Raum. Das will erst einmal gelernt werden. Dafür gibt es bei Bosch sogenannte WOL-Circles. Mithilfe dieser Circle-Methode wird WOL über zwölf Wochen hinweg ganz strukturiert erlebt und erlernt.

Wissen teilen

Foto: Dominik Eisele
Foto: Dominik Eisele
„Working Out Loud“ steht für offene, transparente Zusammenarbeit mit und in Netzwerken, hauptsächlich im virtuellen Raum, beispielsweise über Videokonferenzen.

„Ein Circle besteht aus vier bis fünf Menschen, die im Arbeitsalltag oft gar nichts miteinander zu tun haben, sich im besten Fall auch vorher gar nicht kennen“, erläutert Katharina Krentz. So kann etwa eine Ingenieurin mit einer Kommunikationsreferentin und einem Mitarbeiter aus dem Vertrieb, die an jeweils anderen Standorten des Unternehmens arbeiten, zu einem Circle zusammenfinden.

„WOL ist zunächst einmal eine Haltung und eine Fähigkeit: nach außen gerichtet und transparent zu kommunizieren und die eigene Arbeit und das Wissen zu teilen, anderen zu helfen, um einen Mehrwert für sich selbst und gleichzeitig für das Netzwerk zu generieren“, sagt die 40-Jährige. „Die Circles treffen sich informell im Chat, via Skype, in einer Videokonferenz oder auch persönlich, etwa beim gemeinsamen Essen – es gibt viele Möglichkeiten. Jeder nimmt mit einer individuellen Fragestellung an dem Circle teil: Der eine sucht vielleicht Experten zum Thema Smart Home, die andere möchte ihre Sichtbarkeit in den Sozialen Medien erhöhen, ein Ingenieur möchte seine Expertise über eine Community weitergeben und eine junge Kollegin eine neue Produktidee verwirklichen.“

Katharina Krentz mit Kollegen (Foto: Dominik Eisele)
Katharina Krentz mit Kollegen (Foto: Dominik Eisele
In sogenannten WOL-Circles kommen die Bosch-Mitarbeiter zusammen, um voneinander zu lernen.

Jeder der Teilnehmer nimmt sich für die zwölf Wochen ein eigenes Lernziel vor. Alle lernen anhand von sogenannten Circle Guides – einer Art Handbuch mit wöchentlicher Agenda und Übungsaufgaben –, wie man passend zum eigenen Ziel Experten identifiziert, kennenlernt, sich mit ihnen vernetzt und daraus ein nachhaltiges Netzwerk aufbaut. „Der Circle funktioniert wie eine Art Experimentier- und Schutzraum, um diese andere Art des sehr persönlichen Beziehungs- und Netzwerkaufbaus und der Zusammenarbeit auszuprobieren“, erläutert Katharina Krentz. „Und das Spannende daran ist: Über die zwölf Wochen prägt sich so die Haltung und die Fähigkeit, transparent im Netzwerk zu arbeiten, die eigene Arbeit und sein Wissen sichtbar zu machen, andere teilhaben zu lassen, Fragen zu stellen und sich gegenseitig zu helfen, sehr nachhaltig aus. Diese Art der Zusammenarbeit wird zur Gewohnheit und WOL wird gelebter Arbeitsalltag.“ Ihre eigene Erfahrung mit WOL: „Durch das selbst gewählte Ziel und die Arbeit in der kleinen Gruppe geht das Lernen noch einfacher und macht Spaß.“

Im Circle gehe es also um Teilhabe an Wissen. „Und zwar fern der üblichen Give-and-Take-Mechanismen, die normalerweise in Businessnetzwerken oder zwischen Unternehmen vorherrschen“, sagt Krentz. „Tust du mir einen Gefallen, dann tue ich auch dir einen Gefallen“ – eben genau dieses Prinzip soll bei WOL keine Rolle spielen.

Den anderen verstehen

Katharina Krentz hat John Stepper vor ein paar Jahren persönlich kennengelernt – „ein Aha-Erlebnis“. Daraufhin beschloss sie, die Methode an sich selbst auszuprobieren und bei Bosch zu etablieren. Sie fand in ihrem Unternehmen große Offenheit für diese Form des Arbeitens. Die WOL-Initiative startete dort 2015 mit zehn Pilot-Circles. Heute umfasst die Bosch-WOL-Community 600 Circles mit 4.500 Mitgliedern in 50 Ländern. Alle Teilnehmer sind im Bosch-internen Enterprise Social Network (ESN) „Bosch Connect“ sichtbar, sodass man gezielt nach ihnen suchen kann. „Wer an einem Circle teilnehmen will, kann das über unsere WOL-Community-Plattform tun, länderübergreifend, was natürlich besonders interessant ist, weil dabei auch interkulturelle Aspekte eine Rolle spielen“, sagt Krentz, die selbst an verschiedenen Bosch-Standorten in Asien gearbeitet hat.

John Steppers Motto sei: „Put yourself in the shoes of the other person. “ „Genau darum geht es: darum, die Haltung des anderen zu verstehen, und um Perspektivenreichtum“, betont Katharina Krentz. Aber es gibt doch Business-Netzwerke wie LinkedIn oder XING, auf denen sich Interessengruppen einrichten und auch individuell Kontakte finden lassen – erfüllen die nicht den gleichen Zweck? „Das ist nicht vergleichbar“, findet Katharina Krentz. „Denn wenn man sich dort Profile anschaut, dann verfügen diese zwar oft über sehr viele Kontakte. Doch oft kennen sich nur wenige von diesen Personen auch persönlich. Meiner Meinung nach ist es besser, lieber ein paar Kontakte weniger zu haben, die man dann wirklich kennt und zu denen man jederzeit Kontakt aufnehmen kann.“ So entstünden wirklich nachhaltige Netzwerke. 

SERIE „WEITER.DENKER“

Patrick Neubert (Foto: Damian Gorczany)
Patrick Neubert (Foto: Damian Gorczany)

Die Digitalisierung verändert die Art, wie wir arbeiten. Doch sind wir darauf vorbereitet? Welche Kompetenzen müssen wir dafür mitbringen und wie vermitteln wir diese? Wie müssen wir Bildung, Wissenschaft und Innovation weiterdenken, um wirtschaftlich, technologisch und gesellschaftlich nicht den Anschluss zu verlieren. In der Reihe „Weiter.Denker“ stellen wir Personen vor, die bereits vorbildliches leisten, die weiterdenken und versuchen, unsere Zukunft aktiv zu gestalten.

Lesen Sie hier alle „Weiter.Denker“-Porträts

Firmenübergreifende Partnerschaften

Die wirtschaftlichen Erfolge unserer Unternehmen haben ihren Ursprung im Industriezeitalter. Doch wir müssen uns jetzt im digitalen Zeitalter positionieren, wenn wir weiter erfolgreich bleiben wollen.
Katharina Krentz (Foto: Dominik Eisele)
Katharina Krentz (Foto: Dominik Eisele)

Katharina Krentz

Und dass Circles, die sich aus Mitarbeitern verschiedener miteinander konkurrierender Unternehmen zusammensetzen, keine realitätsferne Spinnerei sind, beweist die Initiative von Krentz ebenfalls: Kürzlich hat sie einen Circle mit Kollegen von Daimler, Audi, Continental, der Deutschen Bank und Siemens initiiert. Alle arbeiten in jeweils anderen Bereichen ihres Unternehmens. „Es funktioniert, weil alle in irgendeiner Form die gleichen Herausforderungen meistern müssen.“ Etwa die digitale Transformation und das Internet der Dinge. Es gehe um übergreifende Themen – und jeder bringe sich dabei ein.

Und viele große Unternehmen haben – etwa im Bereich der Elektromobilität – die gleichen Konkurrenten: Firmen wie das US-Unternehmen Tesla und kleine mobile Start-ups. Katharina Krentz sagt: „Unsere Unternehmen können alle auf eine lange Geschichte zurückblicken. Ihre bis heute stabilen wirtschaftlichen Erfolge haben ihren Ursprung im Industriezeitalter. Doch wir müssen uns jetzt im digitalen Zeitalter positionieren, wenn wir weiter erfolgreich bleiben wollen.“ Aber das funktioniere nur über Partnerschaften, denn nicht jeder könne das Rad selbst neu erfinden.