Reinhard Hüttl öffnet Ventil zur Befüllung eines CO2-Tanks (Foto: E. Gantz/ GFZ)

„Wir hätten CO2 schon lange in den Untergrund bringen können.”

Wie fängt man CO2 aus Verbrennungsprozessen ab? Und wie bringt man es anschließend in den Untergrund? Kann man es wieder zurückholen? Und was bringt das alles? Antworten gibt Reinhard Hüttl vom Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam.

Inwiefern beschäftigt Sie das Themenfeld Geoengineering am GeoForschungsZentrum in Potsdam?
Wir Geowissenschaftler verstehen unter Geoengineering eigentlich alle technischen Eingriffe in den Untergrund, also auch den Tunnelbau oder Ölbohrungen. Maßnahmen, die eine Beeinflussung des Klimas zum Ziel haben, bezeichnen wir als Climate Engineering. Der Begriff Geoengineering hat sich dafür zwar etwas mehr in der Öffentlichkeit durchgesetzt, aber in der Wissenschaft ist es uns wichtig, Begriffe klar zu definieren, um gut miteinander kommunizieren zu können.

Der Beitrag der Geowissenschaften zum Climate Engineering ist vorrangig die Forschung zu „Carbon Capture and Storage (CCS)”. Dabei geht es vor allem um das Abfangen von CO2 aus Verbrennungsprozessen, beispielsweise bei der Stromerzeugung, der Zementherstellung oder in der Schwerindustrie und das anschließende Einbringen des CO2 in den Untergrund.

Wie ist der Stand der Forschung dazu?
Am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) haben wir ein Projekt am Standort Ketzin in Brandenburg durchgeführt und konnten dort demonstrieren, dass CCS gut funktioniert. Wir haben gezeigt, dass sich das CO2 im Untergrund ausgebreitet hat und dabei unseren, im Vorfeld erstellten Modellen gefolgt ist. Wir haben das Verfahren mittlerweile abgeschlossen. Der Standort ist allerdings kein Endlager, sondern ein Speicher. Wenn man das bergrechtlich absichern will, muss man zeigen, dass man das CO2 von dort auch wieder zurückholen kann. Das haben wir gemacht und dann den Speicher ordnungsgemäß verschlossen. Wir haben den ganzen Zyklus gezeigt und sind deswegen auch der Meinung, dass man CO2 auch einfach nur vorübergehend speichern könnte.

Wissenschaftlich betrachtet gibt es keinen Grund, CCS nicht zu betreiben. Das Verfahren trägt dazu bei, CO2-Emissionen zu reduzieren, und die Technologie ist sicher.
Reinhard Hüttl (Foto: GFZ)

Reinhard Hüttl

Wozu kann man das CO2 nutzen, wenn man es wieder herausgeholt hat?
Möglich wäre es, das CO2 weiter zu verwerten und es mit Wasserstoff zu verbinden, um daraus zum Beispiel synthetische Kraftstoffe herzustellen. Das wird derzeit vor allem in China und Japan diskutiert. Die Nutzung von synthetischen Kraftstoffen betrachte ich als sehr relevant für eine saubere und klimaneutrale Mobilität. Elektromobilität ist zwar wichtig, aber sie wird nicht die alleinige Lösung sein. In Bereichen wie der Luftfahrt, der Seefahrt oder auch für lange LKW-Transporte eignen sich Batterien nicht. Batterien benötigen zudem viele, auch seltene Rohstoffe und bei der Herstellung enorm viel Energie.

Welche Risiken gibt es bei CCS?
Wissenschaftlich betrachtet gibt es keinen Grund, CCS nicht zu betreiben. Das Verfahren trägt dazu bei, CO2-Emissionen zu reduzieren, und die Technologie ist sicher. Wenn man die richtigen geologischen Voraussetzungen berücksichtigt, bleibt das CO2 dort, wo es sein soll. Natürlich funktioniert CCS nicht überall, man braucht einen porösen Untergrund, also geologische Formationen, in denen in gewisser Weise Platz ist. Und es braucht sogenannten „Caprock“, das sind dichte Schichten die darüber liegen, zum Beispiel aus Ton. Der Untergrund muss natürlich vorher genau geprüft werden. Dass es aber möglich ist, solch geologische Formationen zu finden, ist beispielsweise auch an Erdgasvorkommen ersichtlich: Wäre der Untergrund nicht dicht, würde das Gas ja auch natürlicherweise herausströmen, ohne dass man danach bohrt.

Wenn die Technologie wissenschaftlich als sicher gilt, warum wird sie dann noch nicht von der Industrie in Deutschland genutzt?
Gesellschaftlich und politisch hat man sich bei uns dagegen entschieden. Aus meiner Sicht gibt es vor allem ein Kommunikationsproblem. Vieles ist dabei nicht sehr professionell gelaufen. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel, wo viel Braunkohle zu Strom verwandelt wird, gibt es keine günstigen geologischen Formationen, die für CCS geeignet wären. Daher hatte man die Idee, das CO2 von Nordrhein-Westfalen nach Schleswig-Holstein zu bringen, weil dort für diese Zwecke günstige Bedingungen herrschen. Aber man kann den Leuten nicht einfach etwas unter die Erde schieben, ohne sie vorher einzubeziehen und gegebenenfalls auch einen gewissen Anreiz zu schaffen. Und natürlich müssen auch die ökonomischen Rahmenbedingungen stimmen, vieles hängt dabei vom CO2-Preis ab.

Zur Person

Reinhard Hüttl (Foto: GFZ)

Der Geowissenschaftler Reinhard Hüttl ist Wissenschaftlicher Vorstand und Vorsitzender des Vorstands beim Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam. Bis 2017 war er zudem Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech, die er nun weiterhin international als Vizepräsident repräsentiert.

Zum GFZ

Zudem setzt sich in den Medien sehr oft nur der Mainstream durch. Viele konventionelle Medien sind so unter Druck, dass sie nur noch schreiben können, was sich verkauft. Und in schlecht besetzten Talkshows werden Diskussionen jenseits wissenschaftlicher Erkenntnis geführt. Es gibt immer Leute, die sagen werden, dass CCS nicht sicher ist und denen wird dann geglaubt, weil es die emotional erwünschte Antwort ist. Da ist es für Wissenschaftler schwierig, dagegen zu halten. Sie werden nicht gehört oder sofort in eine bestimmte Ecke geschoben. 

Viele Menschen befürchten auch, dass die Bemühungen zur Emissionsreduktion zurück gehen, sobald man CCS und andere Climate-Engineering-Technologien nutzt. Teilen Sie diese Sorge?
In erneuerbare Energien wird weiter investiert werden. Aber wir müssen bedenken, dass sie ihre Grenzen haben. Biomasse sollten wir eher nicht weiter vorantreiben aufgrund von signifikanten Problemen wie dem Insektensterben, Bodenschäden durch Monokulturen und der weltweiten Abholzung von großen Naturwäldern. Mit Wind- und Solarenergie gibt es zum einen das Problem des großen Flächenverbrauchs und der fehlenden Leitungen und Speichermöglichkeiten. Zum anderen sind hierzulande Wind und Sonne nicht zu jeder Jahreszeit ausreichend verfügbar.

Wir schlagen CCS daher weiter vor. Wir hätten damit schon über Jahre viel CO2 abscheiden und in den Untergrund verbringen können. Deutschland hat in den letzten Jahren keinen Beitrag zum Klimaschutz geleistet, unsere Emissionen sind nicht gesunken. Gleichzeitig fordern wir aber von anderen Staaten, dass sie ihre Reduktionsziele einhalten. Wir sehen aber auch, dass CCS nur eine Übergangslösung ist. Ich glaube, dass in den erneuerbaren Energien eine große Zukunft liegt. Allerdings brauchen wir dazu europäische oder internationale Lösungen, allein wird sich Deutschland nicht aus erneuerbaren Energien versorgen können.

Ich beschäftige mich seit 30 Jahren mit dem Thema „gesellschaftliche Akzeptanz“ und bin immer mehr und mehr verzweifelt.
Reinhard Hüttl (Foto: GFZ)

Reinhard Hüttl

Eine Stiftung für Wissenschaftsjournalismus

Welche Verantwortung sehen Sie bei Wissenschaft und Industrie für die Akzeptanz von Climate Engineering?
Ich beschäftige mich seit 30 Jahren mit dem Thema „gesellschaftliche Akzeptanz“ und bin immer mehr und mehr verzweifelt. Unser Hauptproblem bleibt die Kommunikation. Aus meiner Sicht bräuchten wir eine Stiftung für Wissenschaftsjournalismus. Aufgrund der dramatisch veränderten Rahmenbedingungen – gerade für die Wissenschaftskommunikation – braucht es einen Topf, in den Journalisten greifen können, um Mittel für richtige Recherche zu erhalten. Journalisten müssen sich anschauen können, was vor Ort passiert. Es ist schade, dass sich nicht einmal die Leitmedien so etwas heute noch hinreichend leisten können. Natürlich muss dabei unbedingt die Unabhängigkeit der Journalisten erhalten bleiben. Aber das bekommen wir in der Wissenschaft ja auch hin. Genauso muss es das Geld von der Politik geben, denn für die Forschung gibt es das ja auch. Das ist so wichtig, weil unabhängige und auf wahrhaftige Berichterstattung ausgerichtete Medien ein ganz zentraler Pfeiler unserer Demokratie sind.

Hintergrund

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Dieser Artikel erschien zuerst auf Die Debatte. Das ist ein gemeinsames Projekt von Wissenschaft im Dialog (WiD), dem Science Media Center Germany (SMC) und der TU Braunschweig, gefördert vom Stifterverband. Das Projekt möchte zeigen, dass Wissenschaft zu aktuellen gesellschaft­lichen Themen viel beizutragen hat. Die jüngste Debatte beschäftigte sich mit dem Thema Geoengineering. Auf dem Blog finden sich vertiefende Hintergrund­artikel und Interviews zu gesellschafts­relevanten Themen. In regelmäßigen moderierten Live-Debatten beantworten zudem  Experten die Fragen des Publikums. Überzeu­gungen und Wissen werden hier einander gegenüber­gestellt.