Florian Schmidt (Foto: Thomas Faehnrich)

Spitzenforscher: Willkommen zurück!

Wer Spitzenforscher in Deutschland halten will, muss ihnen Spitzenpositionen bieten. Die Arbeit der German Scholars Organization setzt hier an und macht Akademikern die Rückkehr nach Deutschland schmackhaft.

Die neue Forschungsmethode hat Florian Schmidt von einem Postdoc-Aufenthalt am Massachusetts Institute of Technology, dem MIT, in Cambridge mitgebracht. Antikörper von Alpakas sollen dem Immunologen jetzt auch in Deutschland dabei helfen, das menschliche Immunsystem und die Entstehung von Entzündungen besser zu verstehen. „Alpakas produzieren sehr einfach aufgebaute Antikörper“, erklärt Schmidt. „Sie eignen sich durch ihre kleine Struktur besonders gut für die Forschung.“

Seit einem halben Jahr leitet der 35-Jährige am Universitätsklinikum Bonn seine erste eigene Nachwuchsforschungsgruppe. Schmidt, der an der TU München Biochemie studierte, hat schon während des Studiums internationale Erfahrungen gesammelt und in San Diego und New York Praktika gemacht. Nach seiner Promotion standen dem deutschen Nachwuchsforscher in den USA die Türen der renommiertesten Einrichtungen offen. „Man kann mit einem deutschen Uni-Hintergrund gut mithalten“, weiß Schmidt. Am MIT war der Immunologe willkommen. „Das Klima ist sehr offen, ich habe mich nie als Ausländer gefühlt.“

Florian Schmidt (Foto: Thomas Faehnrich)
Florian Schmidt erforscht am Universitätsklinikum Bonn das menschliche Immunsystem.

Karriere in Deutschland

Dass er nach dem dreieinhalbjährigen Forschungsstipendium wieder nach Deutschland oder Europa zurückgehen würde, stand für Schmidt und seine Lebensgefährtin, die ihn begleitete, dennoch von Anfang an fest – ebenso sein Plan für eine Karriere in der Wissenschaft. Das Leadership-Academy-Programm der German Scholars Organization (GSO) half ihm, diesen Entschluss umzusetzen, und bot ihm zugleich ein Forum, sich mit jungen Forschern in der gleichen Situation auszutauschen.

Die GSO hat sich seit 2003 der Unterstützung von Wissenschaftlern verschrieben, die nach längeren Forschungsaufenthalten im Ausland ihre Karriere in Deutschland fortführen möchten. „Die Gründe sind vielfältig“, weiß Geschäftsführerin Anne Schreiter, die früher selbst als Postdoc in der Soziologie im Ausland forschte. Da kämen Kinder in die Schule, würden Eltern alt oder man sehne sich einfach nach der Heimat. Aber nach Jahren im Ausland fehle den Wissenschaftlern hierzulande oft das Netzwerk und das Wissen über den akademischen und außerakademischen Arbeitsmarkt. Zudem gebe es Spitzenkräfte, für die eine Rückkehr nach Deutschland nur eine Option unter vielen sei. Auf sie geht die GSO aktiv zu: „Gerade diesen Talenten versuchen wir mit unserer Leadership Academy den Standort Deutschland schmackhaft zu machen.“ 

Spitzenkräfte brauchen Spitzenpositionen

Das Programm bereitet die exzellenten Wissenschaftler auf Führungsaufgaben vor und bietet praktische Hilfen für die Rückkehr an. Die noch junge Academy startet gerade mit 25 Forschern in die zweite Runde. „Wir sind keine Headhunter und auch kein Jobcenter“, betont Schreiter, „aber über unsere Netzwerke und Partner können wir persönliche und institutionelle Kontakte herstellen.“

Denn Spitzenkräfte kommen nur, wenn es auch Spitzenpositionen für sie gibt. Dabei sind insbesondere Stellen im Wissenschaftsbetrieb dünn gesät. Laut dem aktuellen Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs sind nur 19 Prozent aller Promovierten in Deutschland, die jünger als 45 Jahre sind, an einer Universität tätig, ein Bruchteil davon hat eine Professur inne. Häufig gibt es nur befristete oder administrative Stellen oder eine wissenschaftliche Mitarbeit.

Wirtschaft oder Wissenschaft?

Iris Köhler (Foto: privat)
Klimaforschung: Iris Köhler erntet gentechnisch veränderte Sojapflanzen auf einem Versuchsfeld im amerikanischen Illinois.

Doch es gibt auch andere Perspektiven. „Wir rücken hier die Wirtschaft und andere Bereiche ins Blickfeld.“ Denn kluge Köpfe mit Auslandserfahrung werden überall dringend gebraucht. Auch in der Industrie und in kleinen und mittelständischen Unternehmen kann man forschen, in Kommunen und Verbänden locken Spitzenpositionen. „Das ist bei vielen ein völlig blinder Fleck“, so Schreiter. Inzwischen gebe es an Hochschulen zwar bereits gute Personalentwicklungsprogramme für junge Wissenschaftler. Eine fundierte Beratung über außerakademische Berufsbilder und Perspektiven sei jedoch noch nicht flächendeckend institutionalisiert.

„Ein Perspektivwechsel braucht Zeit und Impulse von außen können dabei helfen“, bringt es Iris Köhler auf den Punkt. Die Agrarwissenschaftlerin startete wie Florian Schmidt nach der Promotion zunächst in der Spitzenforschung durch. Als Postdoc an der US-amerikanischen University of Illinois erforschte sie in einem Projekt des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums die Auswirkungen des Klimawandels auf Sojapflanzen. „In den USA ist es leichter möglich, neue Forschungsfelder für sich zu erschließen“, schwärmt Köhler. Wie in ihrem Fall die Molekularbiologie. „Man braucht nur Interesse und Selbstvertrauen.“ An der Fakultät habe es einen regen Austausch gegeben. Nach drei Jahren sei sie dort viel besser vernetzt gewesen als in ihrer alten Heimat. 

Beruflicher Kurswechsel

Dass sie nach Deutschland zurückkehren würde, war für die heute 34-Jährige nicht von Anfang an ausgemacht. Das Leadership-Academy-Programm der GSO gab ihr die entscheidenden Impulse. So reifte schließlich auch Köhlers Entschluss zum beruflichen Kurswechsel. Ein Fernstudium als Personal and Business Coach legte den Grundstein für den beruflichen Neustart. 

Dem Umweltbereich ist Köhler treu geblieben. Heute arbeitet sie an der Graduiertenschule HIGRADE am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Sie erarbeitet die Curricula für die rund 300 Promovierenden des Instituts, entwickelt neue Konzepte und ist für die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern verantwortlich. „Der Umgang mit Menschen und die Lehre machen mir Spaß“, erzählt Köhler und strahlt.

Dass Deutschland künftig mehr Spitzenforscher braucht, die ihr Know-how in den unterschiedlichsten Branchen und Sektoren der Gesellschaft einbringen, glaubt auch Christin Skiera, Jurymitglied in der Auswahlkommission für das GSO-Academy-Programm und bis vor Kurzem wissenschaftliche Referentin in der Geschäftsstelle des Hightech-Forums beim Stifterverband. Auch die Wirtschaft brauche kluge Köpfe auf allen Ebenen. Skiera: „Nicht nur Großkonzerne, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen brauchen Anschluss an international erfahrene Forscher.“ Denn sie könnten dafür sorgen, dass neue Erkenntnisse der Wissenschaft und Impulse aus der Wirtschaft schneller ins Unternehmen einfließen.

Das hat man auch im Hightech-Forum, dem Beratungsgremium der Bundesregierung zur Umsetzung der Hightech-Strategie, erkannt. Die Expertenrunde unter dem Vorsitz von Stifterverband und Fraunhofer-Gesellschaft hat gerade Handlungsempfehlungen zur Internationalisierung der Innovationspolitik erarbeitet und lobt die GSO Leadership Academy als Best-Practice-Beispiel für den Wissenstransfer. Das Konzept, Wissenschaftler mit Unternehmen, aber auch mit dem öffentlichen Dienst und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen zu verzahnen, sei richtungsweisend.

Mehr Perspektiven für den Nachwuchs

Iris Köhler lebt jetzt in Leipzig vor, dass Spitzenforscher ihr Know-how auch außerhalb der Wissenschaft einbringen können. Ihre Vision: „Ich möchte Nachwuchswissenschaftler dabei unterstützen, ihren eigenen Weg zu gehen und herauszufinden, welcher Karriereweg zu ihnen passt.“

In Bonn genießt Florian Schmidt derweil den gelungenen Start ins neue Forscherleben. Die Finanzierung für die Arbeit seines Teams ist für die nächsten fünf Jahre über Drittmittel gesichert. Anders als in den USA, wo die Anschubförderung für Nachwuchsgruppen meist auf zwei Jahre begrenzt sei. „Das Umfeld ist rauer. Forschung und Förderung in Deutschland sind deutlich kollaborativer“, freut sich Schmidt. Und auch seine Ziele sind ambitioniert: „Etwas Neues herausfinden, einen Beitrag leisten.“ Seine Grundlagenforschung soll helfen, dass Virusinfektionen wie die Grippe, aber auch Alzheimer und Gicht in Zukunft besser diagnostiziert und therapiert werden können.

German Scholars Organization

Die German Scholars Organization e. V. (GSO) ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Verein, dessen Ziel es ist, Akademiker im Ausland für eine Tätigkeit in Deutschland zu gewinnen und sie bei der Stellensuche zu unterstützen. Die Schering AG (heute Bayer), der Stifterverband, die VolkswagenStiftung und die Robert Bosch Stiftung gehören zu den Förderern der ersten Stunde. Die GSO Leadership Academy bereitet mithilfe von mehreren Förderpartnern deutschsprachige Wissenschaftler im Ausland seit 2016 auf Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft vor.

Gehen Deutschland die Spitzenforscher aus?

Ist Deutschland für Top-Wissenschaftler nicht attraktiv genug? Der Stifterverband hat sich bei Forschern mit internationaler Erfahrung und bei Hochschulmanagern umgehört.

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