Marco Fuchs (Foto: OHB SE, Bettina Conradi)
Marco Fuchs (Foto: OHB SE, Bettina Conradi)

„Wichtig ist, dass wir in der ganzen Gesellschaft die Lust auf Innovation wecken“

Der Bremer Raumfahrtunternehmer Marco Fuchs im Gespräch über die Bedeutung von Forschung und Entwicklung, über die Satelliten der Zukunft – und darüber, wie Corona als Bremse für gute Ideen wirkt.

Herr Fuchs, Ihr Vater war als Raumfahrtingenieur an der Entwicklung von Raketen beteiligt – für Sie als Kind muss das ein Traum gewesen sein, oder?
Ja, da haben Sie recht. Als ich fünf Jahre alt war, arbeitete mein Vater am Vorläuferprogramm der Ariane-Trägerraketen mit. Er war dafür in Australien stationiert und erzählte natürlich immer viel. Dadurch begann das Thema Raumfahrt für mich also tatsächlich im Vorschulalter. Außerdem brachte mein Vater mir aus Australien immer Plüschkoalas und ähnliche Souvenirs mit, das fand ich als Kind auch ganz toll!

Heute sind Sie selbst Vorstandsvorsitzender der Firma OHB, die sich mit Weltraumtechnik beschäftigt und von Ihren Eltern aufgebaut worden ist …
… wobei dieses Kapitel für meine Eltern erst begann, als ich selbst schon Jurastudent war. In meiner Kindheit war mein Vater als Angestellter bei einem anderen Unternehmen tätig.

Trotzdem: Wie prägend waren für Sie Ihre Kindheitserfahrungen mit dem Thema Forschung und Entwicklung?
Ich bin heute mehrmals pro Woche bei uns in der Forschungsabteilung, wenn Sie das meinen. (lacht) Sie ist im gleichen Gebäude untergebracht, wo ich auch mein Büro habe. Im Erdgeschoss wird an Hardware getüftelt, sie wird zusammengebaut und getestet. Da laufe ich natürlich oft über die Flure und schaue mir an, woran die Kollegen gerade arbeiten. Sie können sich unser Unternehmen im Prinzip so vorstellen wie eine Manufaktur für Satelliten – aber die Satelliten selbst werden natürlich in eigenen Gebäuden montiert, das sind spezielle Reinräume.

Zur Person

Marco Fuchs (Foto: OHB SE, Bettina Conradi)
Marco Fuchs (Foto: OHB SE, Bettina Conradi)

Marco Fuchs ist Vorstandsvorsitzender des Bremer Technologiekonzerns OHB. Das Unternehmen, das seine Eltern in den 1980er-Jahren aufgebaut haben, ist mit seinen rund 3.000 Mitarbeitern im Bereich der Luft- und Raumfahrt tätig. Vor seinem Einstieg ins Unternehmen war der Jurist bei einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Deutschland und den USA tätig. Im Stifterverband engagiert sich Marco Fuchs als Vorsitzender des Landeskuratoriums Bremen.

Alles, was man in unseren Werken sieht, ist dafür gebaut, weit außerhalb unserer Welt betrieben zu werden. Das hat einfach eine ganz spezielle Faszination.
Marco Fuchs (Foto: OHB SE, Bettina Conradi)
Marco Fuchs (Foto: OHB SE, Bettina Conradi)

Marco Fuchs

Vorstandsvorsitzender der OHB SE

Schauen Sie immer noch mit leuchtenden Augen auf die Weltraumtechnik wie damals als Kind oder ist es für Sie inzwischen zum reinen Alltagsgeschäft geworden?
Es ist für mich beides: Alltagsgeschäft deshalb, weil ja auch die ganzen profanen betriebswirtschaftlichen Dinge dazugehören, um die wir uns kümmern müssen. Aber die Faszination der Raumfahrt wirkt natürlich immer noch. Besonders stark merke ich das, wenn ich mit Besuchern durch unsere Werke gehe. Ihnen sieht man an, dass es etwas ganz Besonderes ist, was bei uns entsteht: Alles, was man hier sieht, ist dafür gebaut, weit außerhalb unserer Welt betrieben zu werden. Das hat einfach eine ganz spezielle Faszination.

Wie wichtig ist bei Ihnen im Unternehmen die Abteilung für Forschung und Entwicklung?
An unsere Produkte, die Satelliten, gibt es sehr hohe Anforderungen in Sachen Technik, Schutz, Kommunikation und so weiter – insofern ist die Entwicklung natürlich ein großes Thema. Ich sage es gerne so: Heute leben wir von den Produkten, die wir im Moment herstellen. Aber meine Verantwortung ist es, dass wir auch morgen noch etwas zu tun haben. Und dazu sind Forschung und Entwicklung die entscheidenden Schlüssel.

Bremst die Corona-Pandemie Ihre Innovationsfähigkeit?
An der Oberfläche sieht alles aus wie immer: Unsere Ingenieure arbeiten weiter, die Projekte laufen nach wie vor. Aber ganz ehrlich: Ich habe das Gefühl, dass der kreative Prozess wegen Corona stark gebremst ist. Wenn man im Homeoffice sitzt, sich weniger austauscht, weniger aneinander reibt und nicht mehr gemeinsam an einem Gedanken arbeiten kann, dann fehlt einfach etwas; es entsteht nicht mehr so leicht die nötige Faszination. Das geht aber sicherlich nicht nur uns so und vermutlich lässt sich Ihre Frage erst mit einigem zeitlichen Abstand beantworten.

An der Oberfläche sieht alles aus wie immer: Unsere Ingenieure arbeiten weiter, die Projekte laufen nach wie vor. Aber ganz ehrlich: Ich habe das Gefühl, dass der kreative Prozess wegen Corona stark gebremst ist.
Marco Fuchs (Foto: OHB SE, Bettina Conradi)
Marco Fuchs (Foto: OHB SE, Bettina Conradi)

Marco Fuchs

Was würden Sie sich denn wünschen, um – ganz unabhängig von Corona – die Innovationsstärke in Deutschland zu erhöhen?
Meiner Meinung nach geht es nicht unbedingt um staatliches Handeln etwa bei der Steuerpolitik. Wichtig ist zunächst, dass wir in der ganzen Gesellschaft die Lust auf Innovation wecken. Und da habe ich den Eindruck, dass wir in Deutschland nicht so fasziniert sind vom Fortschritt, von der Innovation, wie das in anderen Ländern der Fall ist. Amerika zum Beispiel ist da sicher weiter, auch China ist sehr dynamisch.

Woran fehlt es denn, dass in Deutschland diese Lust nicht so ausgeprägt ist?
Unsere Gesellschaft ist stark an Sicherheit orientiert, das ist ohne Frage ein Faktor. Aber bevor ich allzu negativ klinge: Wir sind ja nicht schlecht aufgestellt. Wenn Sie sich zum Beispiel anschauen, wie gut es Deutschland schafft, Wohlstand zu generieren – da sind wir sicherlich nicht schlechter als andere. Mich begeistert immer wieder die Breite der Wirtschaft in unserem Land; es gibt sehr viele unterschiedliche Bereiche, in denen wir wirklich gut sind. Darin liegt übrigens einer der Gründe, weshalb ich mich beim Stifterverband engagiere.

Jetzt machen Sie mich neugierig.
Die Rolle des Stifterverbandes ist es, ein Scharnier zu sein; ein Vermittler zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Für Unternehmen wie unseres ist das eine gute Möglichkeit, sich mit anderen Bereichen zu vernetzen und Einblicke zu bekommen. Es gibt wenige andere Möglichkeiten, wie Firmen so breit an der Wissenschaft teilhaben können.

Wie genau bringt sich OHB denn beim Stifterverband ein?
Uns ist es wichtig, dass wir uns in konkreten Projekten engagieren. Neben einer Stiftungsprofessur zum Thema Raumfahrttechnologie/System Enabling Technologies, die wir zusammen mit dem Stifterverband an der Universität Bremen eingerichtet haben, unterstützen wir die Future-Skills-Initiative. Bei diesem Aktionsprogramm geht es darum, die Bedingungen für den Erwerb digitaler und weiterer zukünftig relevanter Kompetenzen zu verbessern, beispielsweise komplexe Datenanalyse, agiles Arbeiten oder Coding. Und auch beim Forschungsgipfel (siehe Kasten unten) engagieren wir uns regelmäßig.

Satellitenfertigung (Foto: OHB System AG)
Satellitenfertigung (Foto: OHB System AG)
Drei der vier Galileo-Satelliten, die im Januar 2019 die Testphase im Weltraum abschließen konnten, während der Integrationsphase in einem OHB-Reinraum.

Wenn Sie heute durch Ihre Abteilung für Forschung und Entwicklung gehen – was sehen Sie dort?
Wir arbeiten gerade an zwei Projekten, die ich immens spannend finde: Zum einen sind wir am Kopernikus-Projekt beteiligt; da geht es um Satelliten, die Daten zum Klima auf der Erde erfassen, also beispielsweise zum CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Und zum anderen arbeiten wir gerade an der nächsten Generation der Galileo-Satelliten. Galileo ist das europäische Navigationssystem, quasi das Pendant zum verbreiteten GPS-System. Diese Technik ist für künftige Innovationen ausgesprochen wichtig. Denken Sie nur an das autonome Fahren: Da ist es entscheidend, dass die Daten etwa zur Position eines Autos absolut präzise sind. An der Technik mitzuarbeiten, die genau das ermöglicht – das finde ich immer wieder faszinierend.

Forschungsgipfel

Foto: David Ausserhofer
Foto: David Ausserhofer
Der Forschungsgipfel 2019 im Allianz Forum in Berlin

Einmal im Jahr laden Stifterverband, Leopoldina und die Expertenkommission Forschung und Innovation zum Forschungsgipfel nach Berlin. Rund 400 Entscheider, Experten und Newcomer aus Wissenschat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik diskutieren dort über die Herausforderungen der deutschen Forschungs- und Innovationspolitik. 2020 ging es - coronabedingt allerdings in einem kleinen digitalen Kreis - um die Frage, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf das deutsche Innovationssystem hat. 

Der nächste reguläre Forschungsgipfel ist für den 19. Mai 2021 geplant. Mehr Informationen und Rückblicke auf die vergangenen Veranstaltungen gibt es auf www.forschungsgipfel.de