Foto: stock.tookapic.com/CC0 License

„Jede Abteilung ist für Innovation zuständig“

Wie entwickeln Unternehmen neue Ideen? Ein Interview mit Tobias Haug, Vice President SAP Design & Co-Innovation Center.

Wie entstehen Innovationen in Ihrem Unternehmen?
Haug: Unsere Innovationen entstehen wie die Ideen für unsere Kunden: flexibel und organisch. Erste Ideen und ein erstes Feedback gibt es oft in unseren täglichen Treffen, den sogenannten daily stand-ups, im alle zwei Wochen stattfindenden Method Monday, wo wir mit neuen Methoden experimentieren, oder in Ad-hoc-Meetings der lokalen Teams. Da wir offene Räume haben und alle ihre Ideen an die Wand schreiben können, werden die Ideen außerdem von anderen im Team gesehen und weiterentwickelt. Ab einem gewissen Reifegrad, sobald zum Beispiel ein Prototyping ansteht, stellen wir für die Idee einen Projektplan auf und fragen über den Standardoutlookkalender das gesamte Team nach mindestens zwei Leuten mit Zeit, den nötigen Fähigkeiten und Interesse dafür. 

Wenn niemand zusagt, sagen wir das Projekt ab oder geben es an andere SAP-Abteilungen weiter. So entstanden auch Prozessinnovationen wie unsere offenen Fellowships, bei denen Mitarbeiter aus anderen SAP-Abteilungen (beispielsweise Business oder Entwicklung) für ein bestimmtes Projekt zu uns kommen und sich beteiligen können. Darüber hinaus gibt es Produktinnovationen wie unseren Kreativraum AppHaus Heidelberg, wo wir gemeinsam mit Kunden Innovationen entwickeln. Bei SAP im Ganzen läuft die Innovationsgenerierung strukturierter und virtueller ab: Strukturen und Tools aus dem Innovationsmanagement, wie internes Crowdsourcing, kommen hier zum Einsatz. Beim internen Crowdsourcing werden Ideen von möglichst vielen Mitarbeitern verfeinert und weiterentwickelt, bevor sie tatsächlich zum Projekt werden. Zentrales Anliegen ist es bei SAP im Ganzen wie auch in unserer Abteilung, die richtigen Personen zusammenzubringen, um Ideen zu Wirklichkeit werden zu lassen. Das bedeutet, den Ideengebern Personen mit komplementären Fähigkeiten in Business-Know-how, Design, Entwicklung et cetera zur Seite zu stellen und deren Kollaboration mithilfe eines Design-Thinking-Coachs zu vereinfachen.

Tobias Haug (Foto: SAP)
Tobias Haug, Vice President SAP Design & Co-Innovation Center

Tobias Haug ist Vice President beim SAP Design & Co-Innovation Center, das Unternehmen bei der Weiterentwicklung ihrer Innovationsfähigkeit unterstützt. Das Center existiert seit 2012 und greift auf Erfahrungen im Design/Design Thinking des Mutterkonzerns zurück. Die Abteilung umfasst 30 Mitarbeiter in Heidelberg, sieben in Berlin, 30 in Palo Alto und bald zwölf in Seoul.

Besitzt Ihr Unternehmen eine eigene Abteilung für Forschung und Entwicklung (FuE)? Welche Aufgaben hat diese und wie hoch sind Ihre FuE-Ausgaben?
Haug: Unsere Abteilung hat keine speziell für FuE abgestellten Mitarbeiter, das gesamte Team ist dafür zuständig. Etwa 25 Prozent unserer Arbeitszeit in der Abteilung verwenden wir auf Forschung und Entwicklung. Auch bei SAP ist man von der klassischen FuE-Abteilung abgekommen. Der große Nachteil von solchen Abteilungen ist, dass sich der Rest der Firma abgetrennt von der Zukunftsfähigkeit der Firma fühlt. Das demotiviert Mitarbeiter, macht sie neidisch, sodass in der Folge Innovationspotenzial verloren geht. Bei SAP ist jede Abteilung für Innovationen zuständig, wobei es zentrale Teams gibt, die beim Innovationsmanagement und beim Design/Design Thinking unterstützen.

Welches sind die wichtigsten Entwicklungshemmnisse für Ihre Forschung und Entwicklung oder für die FuE-Aktivitäten Ihrer Auftraggeber?
Haug: Oft liegen die Probleme nicht bei Technik oder Business. Das Entwicklungshemmnis für Innovationen, das wir bei jedem Kunden sehen, ist erstens eine starre, hierarchische Struktur und das dazugehörige Denken – beides blockiert, dass Leute zusammenkommen und kommunizieren. Auch bei SAP gibt es immer wieder mal Kommunikationsprobleme. Das ist ein langjähriger Change-Prozess, wenngleich wir nach zwölf, 14 Jahren Erfahrung mit Design/Design Thinking auch schon weiter sein mögen als andere. Denn zweitens ist das Innovationsgeschehen sehr komplex und organisch, weil es mit Menschen zu tun hat. Man muss an vielen Stellschrauben drehen – das überfordert die meisten.

Wie halten Sie Ihre Mitarbeiter und wie finden Sie neue?
Haug: Wir geben unseren zukünftigen Mitarbeitern eine Designaufgabe und beobachten dann in einem lockeren Rahmen, wie sie in Teams zu Lösungen gelangen. Die besten Teams haben nicht unbedingt eine klare Antwort, aber faszinierende Lösungsprozesse. Bei der Auswahl hat das bestehende Team ein großes Mitspracherecht, denn es muss später mit den Persönlichkeiten zusammenarbeiten. Wir bieten unseren Mitarbeitern Selbstbestimmtheit, viel Freiheit und Spaß beim Arbeiten, aber auch die nötigen Leitplanken, damit die Freiheit zielgerichtet bleibt. Das scheint zu klappen, wir haben hoch motivierte Leute und wenig Fluktuation.

Was sind Ihrer Meinung nach im Moment die spannendsten Innovationstrends?
Haug: Vernetzte economies, sowohl zwischen Unternehmen als auch zwischen Staat, Unternehmen und Wissenschaft. Unternehmen müssen in Zukunft mehr miteinander arbeiten und kommunizieren. Derzeit stellen wir einen Community-Manager ein, der europäischen Unternehmen eine solche Vernetzung erleichtern soll, damit sie sich auf Management- und Mitarbeiterebenen treffen und beispielsweise über Kreativräume, Design/Design Thinking, Innovationsmanagement und Führung kreativer Teams austauschen können. Dänemark ist hier ein gutes Beispiel: Öffentlicher Sektor, Unternehmen und Universitäten investieren alle viel in Design/Design Thinking, um sich im globalen Wettbewerb zu behaupten.

Was ist Ihr Erfolgsrezept für eine gelungene Innovation?
Haug: Stellt die Menschen ins Zentrum, gebt ihnen den physischen und psychischen Raum und die Zeit, gut zusammenzuarbeiten, und nutzt Prozesse, die sie dabei unterstützen.