Horst Nasko

Richard-Merton-Ehrennadel 2021

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Horst Nasko (Foto: Screenshot)

„Die digitale Zukunft Deutschlands hängt von der Ausbildung unseres Nachwuchses ab“

Der Stifterverband zeichnet Horst Nasko mit der Richard-Merton-Ehrenadel 2021 aus. Als stellvertretender Vorsitzender der Heinz Nixdorf Stiftung setzt er sich seit Jahren für ein besseres Bildungs- und Hochschulsystem ein. Ein Gespräch über den digitalen Wandel unserer Gesellschaft, den Niedergang der deutschen Computerindustrie und wie Deutschland technologische Souveränität wiedererlangen kann.

Herr Nasko, als Sie Ihre Karriere als Assistent des Forschungs-Chefs bei der Elektrofirma AEG/Telefunken antraten, was war damals das heißeste Thema?
Mein Chef war für die gesamte Forschung und Entwicklung des Konzerns verantwortlich und dementsprechend breit war auch mein Aufgabengebiet. Aber das heißeste Thema für mich war damals schon die Digitalisierung.

Wie bitte? Wir reden doch vom Jahr 1969!
Na und? Der Begriff war damals schon bekannt, auch wenn man noch öfter von Automatisierung sprach. Aber wir hatten damals schon Großrechner entwickelt. Der TR 4 und der TR 440 von Telefunken waren zu der Zeit die leistungsfähigsten wissenschaftlichen Rechner der Welt. Und 1983 bin ich dann zu Nixdorf gewechselt. Wissen Sie, worin wir weltweit an der Spitze waren?

Sagen Sie’s mir!
Bei der ISDN-Technologie, dem Integrated Services Digital Network. Bei der Ablösung der analogen Telefonvermittlungstechnik durch volldigitale Systeme, bei denen man Sprache, Texte, Bilder und Daten über ein System also multimedial übertragen konnte. Das war damals neu und ein ganz großes Thema.

Wenn Sie sich anschauen, wie digitalisiert unsere Gesellschaft heute ist – hätten Sie das damals schon so vorhergesagt?
Da muss man zweiteilen: Dass die Digitalisierung als Thema die Medien und die Öffentlichkeit so stark durchdringt, kam für mich überraschend. Aber rein technologisch habe ich den Fortschritt erwartet: Es zeichnete sich ja schon damals ab, wie rasant die Entwicklung voranschreitet. Aber ehrlich gesagt hatte ich sicher nicht gedacht, dass ich jetzt meine Zeitung auf dem Tablet von jedem Ort der Welt aus lesen kann.

Zur Person

Horst Nasko (Foto: David Ausserhofer)
Horst Nasko (Foto: David Ausserhofer)

Horst Nasko ist stellvertretender Vorsitzender der Heinz Nixdorf Stiftung. Als Manager hat der heute 87-Jährige die Technologieentwicklung in Deutschland mitgeprägt: Seine Karriere begann er 1958 beim AEG/Telefunken-Konzern, in dessen Vorstand er später aufstieg. 1983 wechselte Nasko zur Nixdorf Computer AG, in deren Vorstand er für den Aufbau der Nachrichtentechnik verantwortlich war und dessen Sprecher er später wurde. Nach der Zusammenlegung mit Siemens war er stellvertretender Vorsitzender der Siemens Nixdorf Informationssysteme AG. Der gebürtige Wiener ist promovierter Ingenieur.

Die großen Firmen sind oftmals zu sehr mit dem Tagesgeschäft beschäftigt, weshalb die wirklichen Innovationen oft von den kleinen und neuen Unternehmen kommen.
Horst Nasko (Foto: David Ausserhofer)
Horst Nasko (Foto: David Ausserhofer)

Horst Nasko

stellvertretender Vorsitzender der Heinz Nixdorf Stiftung

Heinz Nixdorf und Horst Nasko auf der Cebit 1985 (Foto: Heinz Nixdorf MuseumsForum)
Heinz Nixdorf und Horst Nasko auf der Cebit 1985 (Foto: Heinz Nixdorf MuseumsForum)
Cebit 1985: Lothar Späth (Mitte) telefoniert mit einem Datentelefon der Nixdorf Computer AG nach Erläuterung durch Heinz Nixdorf (links). Horst Nasko (2. v. rechts) begutachtet die Szenerie.

Sie haben damals hautnah mitbekommen, wie die deutsche Computerindustrie den Anschluss verlor. Woran lag’s?
Der Erfinder Konrad Zuse und auch die Firma Nixdorf Computer waren zwar prominente Beispiele für die deutsche Technologieentwicklung, aber wir haben schon befürchtet, dass wir im Massenmarkt keine Chance gegen die amerikanischen Großkonzerne haben würden. Die Offenlegung der Schnittstellen bewirkte einen Preisverfall bei den Computern, der die gesamte Branche überrascht hat. Dieser Preisverfall wurde verstärkt durch den Siegeszug des PCs, und den überstanden weder Nixdorf ohne Partner noch viele andere Unternehmen. Etliche Firmen sind damals vom Markt verschwunden.

Sie haben den Aufstieg, aber auch den Niedergang der deutschen Digitalindustrie in Ihrer Karriere erlebt. Was muss Deutschland tun, um auf diesem Feld künftig eine Rolle zu spielen?
Wichtig wäre es, eine technologische Souveränität zumindest auf Teilgebieten zu erlangen. Deutschland allein wird das vermutlich nicht schaffen, deshalb sollten wir da in Richtung eines europäischen Verbundes denken. Die Großen wie Apple und Google sind aber meilenweit entfernt …

… so wie es damals bei Nixdorf aber auch eine Weile lang aussah.
Darin liegt aber jetzt vielleicht eine Chance. Die ganzen Facebooks und Amazons sind ja alle als Start-ups entstanden. Die großen Firmen sind oftmals zu sehr mit dem Tagesgeschäft beschäftigt, weshalb die wirklichen Innovationen oft von den kleinen und neuen Unternehmen kommen.

Horst Nasko und Johannes Rau auf der Cebit (Foto: Heinz Nixdorf MuseumsForum)
Horst Nasko und Johannes Rau auf der Cebit (Foto: Heinz Nixdorf MuseumsForum)
Auf dem Stand der Heinz Nixdorf Computer AG 1985: Horst Nasko (2. v. rechts) im Gespräch mit dem damaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau (rechts).

Werden wir ganz konkret: Was wünschen Sie sich für Deutschland?
Die Hochschulen haben durch die verschiedenen Exzellenzinitiativen und die große finanzielle Unterstützung durch den Staat schon enorm aufgeholt in Forschung und Entwicklung. Die Hochschulen sind wirklich viel besser geworden, als sie einmal waren, und spielen zusammen mit der Max-Planck-Gesellschaft, mit Helmholtz und Fraunhofer eine wichtige Rolle. Meine Hoffnung ist, dass das auch auf die Schulen ausstrahlt. Dort muss die Digitalisierung eine stärkere Beachtung finden. Es hilft ja nichts, wenn man ein Handy oder Tablet nur bedienen kann. Um es ganz klar zu sagen: Es ist eine Katastrophe, dass bei uns in den Schulen selbst in höheren Klassen der Gymnasien erst zögerlich Informatik angeboten wird. Andere Länder fangen schon im Kindergarten damit an, die Digitalisierung zu vermitteln. Der Erfolg von Deutschland in der digitalen Zukunft hängt nicht zuletzt von der Ausbildung unseres Nachwuchses auf diesem Gebiet ab. Da hoffe ich auch in Deutschland auf Impulse.

Es ist eine Katastrophe, dass bei uns in den Schulen selbst in höheren Klassen der Gymnasien erst zögerlich Informatik angeboten wird. Andere Länder fangen schon im Kindergarten damit an, die Digitalisierung zu vermitteln.
Horst Nasko (Foto: David Ausserhofer)
Horst Nasko (Foto: David Ausserhofer)

Horst Nasko

Ist das eine Rolle für die Heinz Nixdorf Stiftung, deren stellvertretender Vorsitzender Sie sind?
Wir kümmern uns nach unserer Satzung um die Digitalisierung, aber auch um Bildung, Medizin, Sport und gesellschaftliche Fragen. Aber wir können nur Impulsgeber sein, Anregungen vermitteln – und natürlich nicht die zuständigen Akteure ersetzen.

Welche Bedeutung hat für Sie die Partnerschaft mit dem Stifterverband?
Die Heinz Nixdorf Stiftung ist keine operative Stiftung; wir wählen Projekte aus, die wir finanziell unterstützen. Für die Durchführung aber sind wir auf Partnerschaften angewiesen, und genau dafür arbeiten wir seit vielen Jahren sehr eng mit dem Stifterverband zusammen. Er ist wegen der Breite seiner Erfahrungen und seines Fokus auf den Bildungsbereich ein idealer Partner für uns.

Dass der technologische Wandel seit dem Beginn Ihrer Karriere so rasant voranschreitet – flößt Ihnen das Angst ein oder sehen Sie das eher als Verheißung?
(lacht) Ich beobachte die Entwicklung sehr fasziniert. Man könnte sich sorgen, dass Arbeitsplätze verloren gehen und zum Beispiel die künstliche Intelligenz die gesellschaftliche Struktur verändern wird. Aber diese Befürchtungen gab es auch bei der Industrialisierung, bei der Einführung der Dampfmaschine, bei der Elektrizität und weiteren Meilensteinen. Natürlich hatten diese Entwicklungen allesamt ihre Auswirkungen – aber es entstehen zugleich neue Firmen, es tauchen völlig neue Möglichkeiten auf. Diesen Prozess hat es in der Geschichte schon oft gegeben und die Befürchtungen haben sich nie bewahrheitet. Ganz eindeutig: Es überwiegt bei mir die Faszination.

Richard Merton-Ehrennadel an Horst Nasko

Richard-Merton-Ehrennadel des Stifterverbandes
Richard-Merton-Ehrennadel des Stifterverbandes (Foto: Stifterverband)
Die Richard Merton-Ehrennadel

Die Richard-Merton-Ehrennadel ist die höchste Auszeichnung des Stifterverbandes. Sie wird an Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr außergewöhnliches Engagement zur Verwirklichung der Ziele und Aufgaben des Stifterverbandes beigetragen haben. 2021 geht sie an Horst Nasko für sein langjähriges Engagement als stellvertretender Vorsitzender der Heinz Nixdorf Stiftung. Der Stifterverband und die Heinz Nixdorf Stiftung sind seit vielen Jahren partnerschaftlich verbunden. Gemeinsam haben sie zahlreiche Programme, Publikationen und Veranstaltungen umgesetzt, allen voran das Forum Hochschulräte und die Initiative Future Skills, die die Bedingungen für den Erwerb digitaler und weiterer zukünftig relevanter Kompetenzen fördert.